Log #694: Konsortium 18

Denkmöglichkeiten und Handlungsoptionen

In einem vorangegangenen Eintrag heißt es hier: "Wir sind in unserer jüngsten Besprechung übereingekommen, daß es sich lohnt, uns nach jener Orientierung umzusehen, die in Gebiete führen könnte, wo das ist, was jetzt noch nicht gedacht werden kann."

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Kaffeesud-Lesen oder konsequente inhaltliche Arbeit?

Das bezog sich auf meine aktuelle Verständigung mit Technikerin und Kuratorin Mirjana Peitler-Selakov, da wir ein paar Themenlinien gemeinsam verfolgen werden. Das kam nun einen Schritt voran, indem sie mir einen Vortrag von Peter Weibel zum Thema Digitalisierung als kulturelle Revolution zuspielte. Darin kommen einige Aussagen vor, die mit meinem jüngsten Nachdenken über das Nachdenken korrespondieren. Das ist mir wichtig, weil das Konsortium 18 als virtuelle Instanz -- wie eingangs erwähnt -- erst einmal von Denkmöglichkeiten ausgeht und auf das zielt, was noch nicht gedacht werden kann.

Dazu gehört natürlich das Erarbeiten brauchbarere Befunde des Status quo. Oder um es mit Weibel zu sagen: "Es ist keine Welt, die mir gefällt, aber wir müssen sie einmal beschreiben und verstehen." In letzter Zeit hat mich stärker beschäftigt, auf welche Arten wir denken; soweit es mich angeht, in Worten, Bildern und Emotionen. Siehe dazu etwa "Diderot ist für mich der Inbegriff des Wißbegierigen..." vom 5. September.

Spätestens am 19. September war dann ein Revival dieser populären Pose aufgetaucht: "ich bin kein fan von martins oft abgehobener sprache, der viele kaum folgen können." [Quelle] Aber auch in mündlichen Mitteilungen erfuhr ich einiges über meine "Arroganz" und "Abgehobenheit".

Ich halte das für den Ausdruck einer bedauerlichen Bequemlichkeit Ich muß selbst oft manche Texte, die ich erkunden will, mehrfach lesen, um ihnen auf die Spur zu kommen; oder sie beiseite legen, weil mir die Mühe zu groß ist, sie zu verstehen. Wozu aber die Beschwerde beim Autor, wenn es doch in meinen Händen liegt? Ich kann wählen, welchem Text ich mich widmen möchte und welchem nicht.

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Läßt sich Dekoration von Kunst unterscheiden?

Nun Weibel. Er meinte in seinem Vortrag: "Wir wissen, daß wir mehr denken können, als wir sprechen." Mit dieser Diskrepanz müssen wir leben und brauchen sie niemandem vorzuwerfen. "Ich kann nicht alles formalisieren. Ich kann nicht alles in Sprache bringen." Was wäre daran besorgniserregend? Weibel betont: "Ich fühle mehr, als ich ausdrücken kann", und sagt an anderer Stelle: "Es gibt mehr, als ich denken kann."

Sie ahnen schon, genau dieser Umstand bekommt ein ganz eigentümliches Gewicht, wenn wir nun über Kunst zu reden beginnen. So viel müßte selbst den unbedarften Leute klar sein: Die Kunst bietet uns eine Fülle an Codes und Verfahrensweisen, auf daß wir in vielen Fällen dort den Modus wechseln können, wo uns eine Option an ihr Ende der Möglichkeiten geführt hat.

Weibel meint: "Ich kann mehr denken, als ich sagen kann. Aber das, was ich sagen kann, dient dazu, daß ich besser denken kann." Ein Aspekt, an dem mir viel liegt. Daß der Lauf der Dinge mich möglichst fähig macht, heute besser zu denken als vorgestern. Wo es über Denk-Akte hinausreicht, hat die Kunst auch andere Möglichkeiten vorrätig. Dazu zitiere ich gerne Markus Lüpertz, weil es mir selbst knapper und dabei treffender nicht gelingt. Die Kunstpraxis, das künstlerische Arbeiten, sei ein stetes "Ringen um Qualität und Vollendung".

Klarerweise betont Weibel die Bedeutung von Grundlagenforschung, mit der er auch die Möglichkeiten von Kunst assoziiert, also das Hervorbringen von Wissen, welches vielleicht erst 200, 300 Jahre nach seinem Aufkommen etwas beiträgt, die Welt zu verändern. Weibel macht das am Beispiel des Mathematikers Leibniz anschaulich, der im 17. Jahrhundert die binäre Zahlencodierung ersann, um einige Aufgaben auf radikal neue Art zu lösen. Das ist die Informations-Grundlage der binär codierten Computer, die wir inzwischen (fast) all besitzen.

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Hohle Werbesprache infiltriert zunehmend das Kulturfeld

Ich suche solche Ereignisketten mit derlei Effekten: "Aber das, was ich sagen kann, dient dazu, daß ich besser denken kann." Soweit also das Diskursive, von dem Josef Pieper mit Berufung auf Kant schreibt: diskursiv, das heißt nicht anschauend, denn "Der Verstand vermag nichts anzuschauen".

In der Kunst ist das Diskursive natürlich nur eine von vielen Möglichkeiten, um ein Thema zu bearbeiten. So pendeln wir bei der laufenden Arbeit zwischen ganz unterschiedlichen Kommunikationssituationen und beginnen gerade erst, eine gemeinsame Aufgabenstellung herauszuarbeiten.

In der vorigen Notiz hab ich Niki Passaths Maschinenwelten mit einigen historischen Aspekten der Automobilwelt verknüpft. Das verweist auf unterschiedliches Verständnis dessen, wozu Mobilität nötig ist. Über den Designer Norman Bel Geddes und sein Futurama habe ich das an den Themenkomplex Raumüberwindung geknüpft, der mich zum SPLITTWERK bringt, wo schon vor etlichen Jahren über Post-urban Design nachgedacht wurde. Wie uns das zu einigen gemeinsamen Schritten führt, ahne ich, weiß es aber noch nicht genau...

-- [Konsortium 18] --


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39•18