log #681: Mythos Puch V

Der Geist des Transports: Schnittstellen

Nein, es geht hier nun nicht um das Speditionsgeschäft. Wir sind seit Jahren damit befaßt, Schnittstellen und Kreuzungspunkte zwischen Kunst und Technik zu untersuchen. Mirjana Peitler-Selakov ist als hochkarätige Technikerin und als Kuratorin in beiden Welten zuhause.

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Eine Maschine von Niki Passath

Wir sind in unserer jüngsten Besprechung übereingekommen, daß es sich lohnt, uns nach jener Orientierung umzusehen, die in Gebiete führen könnte, wo das ist, was jetzt noch nicht gedacht werden kann. (Mit einem alten Wort bezeichnet man das als U-Topie, den Nicht-Ort.) Das hat für Kunst und Technik gleichermaßen Relevanz, ohne den selben Intentionen und Zielen dienen zu müssen.

Künstler Niki Passath geht einer vergleichbaren Option nach. Er baut und erprobt Maschinen, deren Hauptaufgabe eigentlich darin liegt, Unvorhergesehenes, Unerwartetes hervorzubringen. Sie sind also nicht klassisches Werkzeug, nach einem bestimmten Zweck geformt. Sie sind Werkzeug und Maschine zugleich, die das Virtuelle, das Mögliche transportieren, wobei wir ihnen zusehen können, wobei wir uns überraschen lassen dürfen, was vom Virtuellen ins Aktuelle übergehen wird.

Dabei sind diese Vehikel von Passath vorzugsweise mechanisch und elektronisch gesteuert, nicht digital, durch Computerprogramme, welche die Vorgänge bestimmen. Das bedeutet, Material, Bauweise und die herkömmliche Physik schaffen den Rahmen für das Unerwartete und für mögliche Fehlfunktionen, die hier freilich nicht als Problem gesehen werden, sondern gewissermaßen als eine Art simpler Maschinenkreativität, die freilich interessanten, zuweilen komplexen Output generiert. Etwas sehr Rudimentäres.

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Eine Maschine von Niki Passath

Das bedeutet auch, diese Maschinen sind nicht gebaut, um uns auf androide Art zu unterhalten, menschenähnlich, wie etwa Tänzer mit Kraft und Eleganz vertraute Bewegungsmuster zeigen, die uns erfreuen. Passaths Maschinenpark gibt uns Gelegenheit, auf eine ganz andere Ästhetik einzugehen, die den mechanischen Anordnungen entspringt, der Welt von Maschinen.

Ich schätze es sehr, wie Passath auf solche Art einlädt, unsere Koexistenz mit Maschinen aktuell nicht primär aus einer anthropozentrischen Position zu betrachten und zu deuten, sondern daß er den Maschinen etwas Eigenständiges einräumt. So werden sie zu Vehikeln ihrer eigenen Angelegenheiten.

Ich hab Ende des vorigen Jahres an einigen Stellen erläutert, wie es zu diesem Titel kam: "Der Geist des Transports". Siehe: [link]

Ein Titel, den ich von einem historischen Ereignis herleiten konnte, als in den USA ein paar Querverbindungen zwischen der Kunst und der jungen Automobilindustrie entstanden, die bis in österreichische Medien durchschlugen.

Dieser Blick in die Vergangenheit ist mir wichtig, weil er eine Zeit betont, da sich die Zweite Industrielle Revolution entfaltete.

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Passath geht mit seinen Maschinchen aktuell hinter die Dritte Industrielle Revolution zurück, in die Nähe der Zweiten, jene der Automatisierung, um uns einen Blick auf die Vierte zu eröffnen. Das ist, wie ich noch belegen möchte, ziemlich smart. Zu Ihrer Orientierung: Die Dritte Industrielle Revolution haben wir als die Digitalisierung erlebt, wobei in vielen Bereichen aus den konkreten Maschinen abstrakte wurden, indem die Funktionsweisen immer stärker verkleidet, verborgen wurden.

Das bedeutet: Konnten wir erst noch in den meisten Fällen an der Erscheinung einer Maschine (Bauweise, Form) ablesen, was sie tut, entstanden im Kontext Computer immer mehr verkapselte Maschinensysteme, die unserem Augenschein ihre Funktionen nicht mehr offenlegen, respektive überhaupt erst durch eine bestimmte Software eine bestimmte Funktion erhalten.

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Passaths 2017er Ausstellung im "Schaumbad" (Graz)

Passath nimmt uns also in technischen Zusammenhängen erst einmal einen Schritt zurück, was uns vielleicht einen besseren Blick auf den nächsten Horizont ermöglicht. Transport, das bedeutet implizit selbstverständlich Mobilität. Die betrifft nicht bloß das Bedürfnis nach Raumüberwindung, sie taugt auch als Metapher für eine bestimmte Qualität im geistigen Leben. Die unumkehrbare Anordnung, in der das gelebt werden möchte, sieht ungefähr so aus:

+) Este Revolution: Optimierte Dampfmaschinen als neue Kraftquellen
+) Zweite Revolution: Automatisierungs-Sprünge und hohe Stückzahlen
+) Dritte Revolution: Digitalisierung
+) Vierte Revolution: Selbstlernende Systeme und neue Maschinenintelligenz

Siehe dazu: "Industrielle Revolutionen" (Ein kleiner Überblick)

Ich hab mit Peitler-Selakov Konsens: Das hat zwar alles sehr interessante Grazer Bezugspunkte und steirische Dimensionen, aber wir sprechen da von einem globalen Kräftespiel, das sich in wesentlichen Bereichen gar nicht mehr auf kulturelle/ethnische Aspekte bezieht... Das finde ich übrigens in der Kunst schon sehr lange. (Eingrenzungen a la "Der steirische Künstler" oder "Die Frauenkunst", das sind für mich etwas trübe Kategorien, die mir bestenfalls zur Lösung mancher Verwaltungsaufgaben nützlich erscheinen.)

Was ich da nun voranbringen möchte, zeichnet sich derzeit im "Konsortium 18" ab, einer virtuellen Instanz. Ich muß dabei über das Tagesaktuelle hinauskommen. Als Künstler sind wir kein Nachrichtendienst, der jemanden mit täglichen Neuigkeiten versorgen sollte. Wir suchen uns Aufgaben, die mit künstlerischen Mitteln bearbeitet werden mögen. Dabei spielen Tagespolitik und Tagesgeschehen keine vorrangige Rolle. (Dafür gibt's hier eine Essay-Ecke.)

-- [Der Geist des Transports] [Konsortium 18] --


coreresethome
39•18