martin krusches [flame] logbuch / blatt #113Der Geist des Transports Der Große Krieg hatte dem Transportwesen einen enormen Entwicklungsschub gebracht. Zwar war nach wie vor die Eisenbahn das Rückgrat der Logistik, aber nach den ersten zarten Lastkraftwagen der frühen Jahre sind auf dem Weg in den Ersten Weltkrieg enorme Brocken gebaut worden. Danach fehlte in Österreich erst einmal zahlungskräftige Kundschaft für Personenkraftwagen, wovon dieser Teil der Entwicklung stark gebremst wurde.Was an Rohstoffen und Devisen verfügbar war, konzentriert sich sehr wesentlich auf den Nutzfahrzeug-Sektor. In der Redaktion der Allgemeinen Automobil-Zeitung hatte man darauf reagiert, daß im amerikanischen Fachblatt "Motor" zwölf Maler ihre Sicht des Themas gezeigt haben. Das brachte am 29. Mai 1921 den Geist des Transports auf die Titelseite. Da kommt ganz ausdrücklich die Assoziation von technologischem Fortschritt mit kulturellem Status in den Fokus, was freilich sehr zu eigenen Gunsten argumentiert ist. Es wurde anhand der Arbeit Der Geist des Transports" von R. F. Heinrich folgendes proklamiert: "Das Automobil hat dem Maler bisher noch wenig Motive geboten. Das ist wohl zum Teil darin begründet, daß das Wesen des Automobils in seiner raschen Bewegung zu suchen ist und daß die Malerei immer nur einen Moment dieser Bewegung festzuhalten vermag. Immerhin bleibt der seibstbeweglicbe Wagen ein dankbares Thema, ist er doch, wie jedes Transportmittel, zugleich auch ein Kulturmesser. denn der kulturelle Fortschritt geht parallel mit der Entwicklung der Verkehrsmittel." Das ergibt einen passablen Akzent, um nun ein halbes Jahr Arbeit am Thema "Vom Pferd zum Sattelschlepper" abzuschließen und daraus weitere Schritte herzuleiten. Dieses Werk von Heinrich faßt mit seiner Bildunterschrift zusammen, was sich in der Sache als Angelpunkt eignet. Da sind die Ochsen in ein wuchtiges Kummet gespannt um den Wagen ziehen zu können. Die kastrierten und so gebändigten Stiere sind mit ihrer enormen Zugkraft den Pferden darin weit überlegen. Doch das höhere Tempo der Pferde machte den Kentaurischen Pakt über Jahrtausende vorrangig, denn Geschwindigkeit ist nicht erst seit der Automobil-Ära eine magische Kategorie. Miniatur eines Dürkopp
Subventions-Lastzuges aus der Neben dem Fuhrwerk nun die Wagenkolonne von damals modernen LKW, wobei die Bildunterschrift besagt, daß der Maler "den starken Kontrast von einst und jetzt, vom Ochsengespann und dem Zugwagen mit Anhängern, geschickt herauszuarbeiten verstand." Derlei Zugwagen mit Anhängern waren vor dem Krieg zum Beispiel in Gestalt von staatlich geförderten Subventionslastwagen unterwegs gewesen. Sie hatten auf den Anhängern Bremserhäuschen montiert, wie man das auch von Eisenbahnwaggons kennt. (Das heißt, ein Bremser fuhr extra mit.) Apropos Eisenbahn. Dazu mußte erst einmal James Watt die Dampfmaschine so weit optimieren, damit sie als Kraftquelle umfassender einsetzbar wurde. Das hatte sich übrigens Erzherzog Johann von Österreich in den Jahren 1815/16 während seiner Englandreisen persönlich im Werk von Watt angesehen. Mit dieser Innovation erhielt unsere Wirtschaft neue Kraftquellen, war nicht mehr so stark von Wasserrädern abhängig, die im Winter oft stillstanden und vom Eis beschädigt wurden. Die Dampfmaschinen gerieten als Lokomobile zu beweglichen Kraftquellen, zu Maschinen, welche an die Einsatzorten gekarrt wurden. Es lag nahe, daraus auch Lokomotiven abzuleiten, also selbstfahrende Vehikel, die von Dampfmaschinen angetrieben wurden. Die Verwendung von Schienen war etwa aus Bergwerken schon geläufig, wo Dampfmaschinen als Wasserpumpen oder zum Heben und Ziehen von Lasten eingesetzt wurden. Fowler's steam ploughing apparatus
(1859) wurde aufs Feld gestellt und Lokomotiven kamen aber nicht nur auf Schienen zum Einsatz, sondern wurden ebenso auf Straßen erprobt. Beides, Antriebsaggregat und Kraftfahrzeug, fand natürlich auch in die Landwirtschaft, vorausgesetzt, der Ertrag von Betrieben stellte die erheblichen Mittel dafür zur Verfügung. Dazu war in der Oststeiermark kaum jemand in der Lage. Die kleinen Selbstversorgerwirtschaften legten keine so frühe Mechanisierung nahe. Aber darin zeichnete sich in Europa der Beginn einer Volkskultur in der technischen Welt ab, mit der wir uns aktuell befassen. Diese Entwicklung bezog übrigens erhebliche Schubkraft aus den Klimakatastrophen, die 1815 ein Vulkanausbruch nach sich gezogen hatte. Der indonesische Vulkan Tambora verursachte durch seine enorme Eruption nicht nur regional Flutwellen, durch die abertausend Menschen starben, die Staubteilchen verbreiteten sich in der Atmosphäre über die gesamte Erde, was etwa 1816 den kältesten Sommer seit Menschengedenken auslöste. Folgende Mißernten kosteten nicht bloß Menschenleben, sie führten auch zu einem großen Pferdesterben. Pferde stehen, anders als die wiederkäuenden Rinder, in direkter Nahrungskonkurrenz zum Menschen. Dieser Verlust an Zugkraft wurde in Europa zu einem gewichtigen Motiv der Entwicklung neuer Technologien. Rund eineinhalb Jahrhunderte später setzte bei uns die Volksmotorisierung ein, in welcher der individuelle Privatbesitz von Automobilen zum landesweiten Standard wurde. Das haben wir heuer bei Mythos Puch IV behandelt, da das Puchschammerl, der Steyr-Puch 500, vor genau 60 Jahren der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Hetherington's locomotive for common roads (1860) Aus der Arbeit an diesen Aspekten und Zusammenhängen ergab sich das Thema für Mythos Puch V im Jahr 2018: "Zugkraft und Ladekapazität". Das verweist übrigens auch schon auf das Jahr 2019, denn dann steht ein weiteres Jubiläum an. Es geht um 60 Jahre Steyr-Puch AP 700, genannt Puch Haflinger. Ich nenne ihn gerne den kleinsten Lastwagen der Welt, denn es dürfte in jener Zeit nichts Vergleichbares gegeben haben, was mit so geringem Materialaufwand ein derart effizientes Nutzfahrzeug entstehen ließ. Der Hafi beruht übrigens auf den Konstruktionsprinzipien des Erfinders Hans Ledwinka, der die Automobilgeschichte geprägt hat. (Zentralrohrrahmen, Pendelachsen, luftgekühlter Heckmotor.) Ledwinka. Das ergibt zugleich einen interessanten Querverweis auf jene Ära im 19. Jahrhundert, in der sich die Wege zwischen den Handwerkern und den neuen Maschinenwissenschaftern trennten, sich das Ingenieurswesen rasant entwickelte, um sich nach mehreren Seiten abzugrenzen und gegenüber älteren Wissenschaftszweigen zu emanzipieren. Das sind Zusammenhänge jener 200 Jahre, die wir nun in permanenter technischer Revolution leben. Derzeit sind wir innerhalb unserer Biographien -- nach der Digitalen Revolution -- in die Vierte industrielle Revolution gekommen, was Menschen davor noch nicht erlebt haben: zwei industrielle Revolutionen innerhalb einer Lebensspanne. Prototyp des Puch Haflinger (Kein Exemplar erhalten, soweit bekannt) Wir haben all das übrigens auch in unserem 2017er Kunstsymposion ansatzweise thematisiert: "Artist Is Obsolete: Kunst und Technik". So gehen wir auf das kommende Arbeitsjahr zu, in dem es weiterhin zu einer Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Genres kommen soll, in einer Zusammenarbeit von Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft. Das werden wir weiterhin im Netzwerk von Dorf 4.0 umsetzen. -- [Dorf 4.0] -- |