Log #689: Wegmarken Jörg Klauber hat sich auf weite Bereiche der visuellen
Kommunikation spezialisiert, ist aber auch auf klassische Art ein Liebhaber von Text. Wir
haben daher eine solide Verständigungsebene für dieses Erkunden von Wegmarken in unserem
Lebensraum.
Rechts ein Auferstandener von Franz
Weiss
Jüngst sind wir von Unterfladnitz über Kühwiesen nach
Breitegg unterwegs gewesen, Orte, die St. Ruprecht an der Raab zugehörig sind. Etwa auf
halbem Weg findet man die Kernkapelle, über die ich via Internet vor allem
erfahre, daß der Holzschnitzer Hans Pendl dafür einen Emmaus-Jesus in
Lebensgröße geschaffen habe. Das meint also einen Wiederauferstandenen. Hinter einer
matten Glasscheibe entdeckt man überdies einen gemarterten Jesus noch vor seinem
Kreuztod, eine besorgniserregende Erscheinung.
An den Wänden Arbeiten von Franz Weiss, dessen
künstlerischer Rang dort alles andere übersteigt. Kunsthistorikerin Margit Stadlober
macht am Beispiel der Arbeiten von Weiss deutlich, was in diesem Genre offenbar Vorrang
hat. "Unkompliziert und intensiv wirkt die Formensprache des Künstlers",
sie zeige eine "unbeirrbare Gegenständlichkeit", was bedeutet,
"diese Bildsprache bleibt für alle verständlich".
Der Emmaus-Jesus von Hans Pendl
Ich bezweifle aber, daß die Bildsprache, der wir an
etlichen Stellen begegnen, tatsächlich so unbeirrbar gegenständlich und daher für
alle verständlich sei. Was laut Stadlober fachlich Reduktionsrealismus heißt,
macht mir den Eindruck, daß alles mit einem elaborierten Codesystem hinterlegt ist, in
dem Symbole, Accessoires, Farbgebung und stellenweise einbezogene Personen ein erhebliches
Vorauswissen verlangen, um die Bilder entschlüsseln zu können.
Was Stadlober als "bewundernswerte
Ehrlichkeit" hervorhebt, ist überdies eine Frage der Referenzpunkte; oder
anderes ausgedrückt: Ehrlichkeit, ich ziehe den Begriff Redlichkeit
vor, ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen Denken, Reden und Tun. Was demnach ehrlich
und was unehrlich sei, ist nicht so licht zu klären.
Weiss bleibt jedenfalls in der Nähe der strengen Codes von
Ikonen, die ja keineswegs ohne Sachkenntnis lesbar sind. Pendl bevorzugt dagegen eine
Bildsprache aus der Populärkultur, denn so haben wir Jesus schon unzählige Male
dargestellt gesehen. Andachtsbildchen, Drucke, allerhand Reproduktionen, vieles im
Kielwasser der Nazarener weiter entfaltet.
Pendls Jesus-Darstellung ist also an
populären Bildern orientiert, zeigt uns einen Auferstandenen ähnlich dem von Schwester
Faustyna Kowalska, in ungezählten Kopien im Umlauf. (Siehe den vorigen Eintrag!) Diese Darstellung irritiert nicht, sondern dockt an
einen Bildkanon weit verbreiteter Jesus- Darstellungen an. Da kam der erfahrene Künstler
Weiss zu einer wesentlich spröderen, vielschichtigeren Deutung. Damit stolpern wir quasi im Vorbeigehen über ein paar brauchbare
Kriterien, wenn wir darüber nachdenken, womit der öffentliche Raum bespielt wird, was
wir an öffentlich zugänglichen Plätzen vorfinden. Tiefe und Raffinesse erkennen ja auch
Laien jederzeit. Dazu braucht es keine spezielle Sachkenntnis, bloß einige Jährchen an
Wahrnehmungserfahrungen. |
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Solche Zusammenhänge waren
übrigens schon am Beginn unseres Aufstiegs zu erörtern. Das Dorfkreuz von
Unterfladnitz ist eine stattliche Anlage, deren Wandmalereien von Gerhard Schalk stammen.
(Ich denke, das ist keine Architektur, die weitere hundert Jahre Bestand haben wird.)
Dabei stellt sich gelegentlich die Frage: Ist
denn überhaupt eine öffentliche Debatte über ästhetische Qualitäten erwünscht? Wo
das alte Handwerk weitgehend verschwunden ist, stehen auch allerhand gestalterische
Prinzipien nicht mehr selbstverständlich zur Verfügung. Sollen die durch andere Optionen
abgelöst werden?
Gerhard Schalk hat hier übrigens einen fast schon
Comic-haften Stil angewandt, also eine eher profane Zeichensprache eingeführt. Was die
Posen der Figuren angeht, gibt es keine Experimente. So erscheint Franz Weiss auf diesem
Weg noch als die progressivste Kraft, die sehr raffinierte Darstellungen bevorzugte.
Das ist alles sehr anregend, wenn man darüber nachdenkt,
womit sich Menschen in unserer Region umgeben möchten. Ich hab hier an andrer Stelle notiert, wie sehr mir auffiel, daß bei einem
Fotowettbewerb der Energieregion keinerlei Experimente gewagt wurden, sondern
mindestens 90 Prozent der eingereichten Arbeiten sehr populäre Motive nachgestellt haben,
was leider dazu führt, daß man eigentlich keinen klaren Eindruck erhält, wo diese
Bilder entstanden sind. Das war 2017 so, das hat sich 2018 wiederholt.
Das macht für mich die intensive Nachschau bezüglich der
Klein- und Flurdenkmäler so spannend. Dadurch erhalten wir Eindrücke, welche visuellen
Codes und architektonischen Elemente über einen längeren Zeitraum bevorzugt wurden und
was während der Jahre an neuen Konzepten dazu kam.
Bevor eine blühende Wirtschaft begann, sich über eine
boomenden Werbebranche in allen Ecken und an allen Enden der Region mitzuteilen, die
Elemente ihrer gefälligen Werbebildwelten überall hinzuwuchten, waren ja vorwiegend
kirchliche Bauwerke, Friedhöfe und Flurdenkmäler die wesentlichen Medien visueller
Codes. Welchen Rang haben sie heute? Und wovon wird ein diesbezügliches Kräftespiel
bewegt?
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