Log #632: Kunstsymposion

Mission Statement (zur Albersdorf-Session)
Von Martin Krusche

Wir sind heuer in einem Akt kollektiver Kulturarbeit mit dem Thema „Artist is Obsolete: Kunst und Technik" befaßt. Das liegt nahe, weil wir uns gerade im Auftakt der Vierten Industriellen Revolution befinden, dem erst vor wenigen Jahrzehnten die Digitale Revolution vorausgegangen ist.

Zwei industrielle Revolutionen innerhalb einer Lebensspanne. Das ist neu.

Dabei sind wir in der Kunst, so scheint es mir, noch nicht einmal mit DADA fertig, einer radikalen Reaktion auf die Erste Industrielle Revolution und ihre tödlichen Festivals im Großen Krieg von 1914 bis 1918. (Der erste hoch technisierte Krieg in der Menschheitsgeschichte, durch den alles erschüttert und vieles verworfen wurde, was man bis dahin über Schlachtfelder zu wissen meinte.)

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Martin Krusche (links) mit den drei Bürgermeistern vin "Dorf 4.0"

In den aktuellen Umbrüchen, in einer Mischung von Globalisierungs-Varianten und Technologieschüben, hat sich Europas Politik verschoben, verändert sich die Gesellschaft. Was bedeutet das speziell für die Kultur- und Wissensarbeit in der Provinz, also abseits des Landeszentrums? Was bedeutet das generell für Kunstschaffende?

Was ist denn heute in diesen Belangen überhaupt eine gute Frage?

Simon Brault vom Canada Council for the Arts hat mir mit seiner Streitschrift „No Culture, no Future" wichtige Anregungen gegeben. Dazu zählt eine seiner Ansichten, die zu erörtern in Österreich als Tabu gilt und in meiner Branche stellenweise wie eine Art Häresie bewertet wird:

"Everybody has the right to be an artist, but nobody has the right to live from his art."

Ich brauche aber genau diesen nüchternen Ausgangspunkt, um nun klären zu können, was denn überhaupt eine gute Frage sei, wenn wir überlegen, wie wir in den aktuellen Veränderungsschüben etwas wie Zukunftsfähigkeit erlangen wollen.

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Ich hab überhaupt kein Interesse an den alten Lamentos, die in ihren simpelsten Formen, in polemischer Verkürzung, etwa darauf hinauslaufen: „Politiker sind Deppen, Beamte schlafen, Kaufleute schauen nur aufs Geld und wir Künstler müssen uns ständig selbst ausbeuten, um der Welt unsere Wohltaten zu spenden."

Ich halte solche Ansichten für den Ausdruck einer Spießerideologie, die mich in spontanen Tiefschlaf stürzt, wenn ich ihr nicht ausweichen kann. Mich interessiert dagegen das Berufsfeld von Kunst- und Kulturschaffenden in einem zeitgemäßen Selbstverständnis.

- Welche Inhalte sollten derzeit vorzugsweise betont und bearbeitet werden?
- Welche Bilder haben wir von den unterschiedlichen Jobs in diesem Metier?
- Welche Bedingungen sollten wir herbeiführen können, um die nötigen Arbeiten
  zu bewältigen?
- Welche Strategien brauchen wir, um das alles zu gewährleisten, wo
- a) Budgets merklich knapper werden und
- b) Verteilungs- und Konkurrenzkämpfe zunehmen, härter werden, obwohl kaum wo
      offen zugegeben wird.

Zu diesen Fragen um Grundlagen der Zukunftsfähigkeit unserer Professionen gehört für mich auch die Demontage von Legenden, teils selbst produzierten , stellenweise krausen Privatmythologien über die Kulturarbeit und die Kunstpraxis.

Solche Art Obskurantismus belastet die betriebswirtschaftlichen Aspekte, ebenso die Optionen fruchtbarer Zusammenarbeit mit Menschen der gleichen Genres und/oder anderer Disziplinen. Dabei sind hier interessante Möglichleiten zu finden, die uns einerseits helfen können, Standortnachteile zu kompensieren und Ressourcen-Defizite auszugleichen, andrerseits ist es oft sehr spannend, wenigstens temporär von multidisziplinären Modi in interdisziplinäre Verfahrensweisen überzugehen.

Meine Erfahrung besagt, daß man in diesen Dingen nichts ausrichtet, wo man jeweils anderen zuruft, wie sie ihr Verhalten ändern mögen, auf daß sich meine Situation verbessern könnte. Ich möchte mich daher mit inspirierten Leuten aus den drei Sektoren Staat, Markt und Zivilgesellschaft treffen, um sinnvolle Inhalte und machbare Schritte zu erörtern.

Politik & Verwaltung, Wirtschaftstreibende, Kunst- und Kulturschaffende in der Begegnung und Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Nichts weniger interessiert mich. Symbolpolitik und leere Gesten da wie dort kann man mir nachschmeißen, dafür hab ich keine Zeit übrig.

-- [Das Programm] [Kunstsymposion: Kulturpolitik] --


coreresethome
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