log #614: Was ist Kunst?

[Vorlauf] Im vorigen Eintrag hab ich notiert: Wenn nun unser Thema "Was ist Kunst?" lautet, ist nicht bloß über kulturpolitische Rahmenbedingungen zu reden, sondern darüber, ob es für Kunstwerke Kriterien gibt, anhand derer wir sie vergleichen können. Die gibt es selbstverständlich. Wäre zu klären, ob es überhaupt wünschenswert ist, sie anzuwenden. Um das zu klären, müßten Menschen ihre Stimmen erheben. Ursula Glaeser hat nach dieser Session eine Notiz hinterlegt: [link]

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Heimo Ranzenbacher [link] hatte das schon vorab getan. Ich zitiere: „Kunst ‚ist’, worüber es sich unter dem Gesichtspunkt ihrer Kanons in (Kunst-)Geschichte und in kanonischen Überschreitungen (i.e. Erfindungen, Innovationen, Paradigmen, Gegenhaltungen etc.) als Erkenntnis über Kunst zu reden lohnt (i.e. die Kultur ihrer Gesellschaft diskursiv "bereichert"); ein fortdauernder Prozess, in Beiträgen (‚Werken’) prozessiert. Darin - zumindest in einer Art erkenntnistheoretischen Modells - den Wissenschaften verwandt. Was der Künstler sagt, dass Kunst sei, bleibt solange ein bloßer Sager, bis seine Behauptung (oben skizzierten Perzeptions- und ‚Beurteilungs*prozessen ausgesetzt) sich als Erkenntniswert erweist. Was als Kunst gilt (Topos) oder wie Kunst im Sinne eines Berufsbildes mehrheitlich ausgeübt wird, etc., das lässt sich durch die Frage nach dem Wesen von ‚Kunst’ vermutlich nur schwer erörtern. Facebookmäßig (= in drei Sätzen) und zwecks zerebraler Morgengymnastik kommentiert;-) Wünsche Gutes Gelingen und spannende Beiträge!"

Karl Bauer fragte bei der Session treffend,  welcher Nutzen sich daraus ergebe, daß die Stadt zwei Kunsthistorikerinnen angestellt habe. Ich lasse das einfach so stehen, denn ein Kunstdiskurs läßt sich nicht erzwingen. Es hatte sich übrigens auch davor bei einer Session im Forum Kloster gezeigt, daß es derzeit eher keinen ÖFFENTLICHEN Diskurs über solche Fragen geben wird. Dabei hatte beispielsweise Bürgermeister Christoph Stark sein Statement mit einem Querverweis auf Bilbao eingeleitet.

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Das Guggenheim Museum von Frank Gehry, davor die große Skulptur Maman von Louise Bourgeois (Foto: Myk Reeve, Gnu Lizenz), das ergibt eine Wirkung, deren Ursachen wir erörtern könnten. Dazu ist es beim Round Table im Forum Kloster jüngst gar nicht erst gekommen, sieht man davon ab, daß der Verhandlungsgegenstand einige Statements zur Kunst im öffentlichen Raum verlangt hat.

Ich hab von dieser Session noch einige Notizen zur Kunst, anregenden Statements von den Gästen, die ich separat zusammenfassen werde. Am pointiertesten hat das sicher Philosoph Erwin Fiala unterstrichen, indem er feststellte: "Der Dom steht als solches. Als solches. Er ist für keinen anderen Zweck nutzbar. Auch für keinen anderen künstlerischen Zweck."

Damit lieferte Fiala einen wesentlichen Hinweis, worin Kunstwerke zum Beispiel von Dekorationsgegenständen unterschieden werden können. Ich gehe gerne davon aus, daß immer Vorsicht geboten ist, wenn jemand "Kunst um zu..." betont. Kunst, um dies oder das zu bewirken, zu bewegen. Das wirft Klärungsbedarf auf. Ein Als-solches bietet die Option, sich auf etwas zu konzentrieren, das dabei nicht von anderen Zwecken bemäntelt oder durchdrungen ist. (Das erlaubt uns der Alltag für gewöhnlich nicht.)

Sind wir jüngst in diesen Dingen weitergekommen? Ich weiß es nicht. Das Muster der Inszenierung im Fall Frankenberger war unverkennbar. Die Machtpromotoren äußern sich pro Kunstwerk. Die Sachpromotoren erklären reihum per Statement, warum diese Entscheidung pro Kunstwerk angemessen sei. Der Moderator schließt die Angelegenheit nach der erfolgten politischen Zusage umgehend, indem er verfügt, daß nun jede weitere Debatte eine private sei. Bemerkenswerter hätte ein öffentlich zugänglicher Round Table zum Thema Kunst im öffentlichen Raum kaum ausfallen können; siehe dazu den Beitrag "Das (Kultur-) Politische" [link]

Ich denke, daran muß nun nicht weiter gerührt werden. Das Kulturreferat der Stadt trifft die politischen Entscheidungen, die Kulturabteilung setzt um, damit wird in Summe entschieden, wo Gleisdorf kulturell/kulturpolitisch hin will. Was das Gros der Kreativen in der Kleinregion möchte, zeichnet sich sich aus den Ereignissen zwischen Anfang Mai und Anfang Juli dieses Jahres deutlich ab, ausgehend von dieser Markierung. [link]

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Das heißt, da ist nichts laut geworden. Gar nichts. Ergo werden die Ansprüche regionaler Kulturschaffender wohl weiter einzeln vorgebracht, wenn jemand in Vertretung seiner oder ihrer Partikularintessen das Rathaus aufsucht. Das drückt von privater Seite her eine völlige Entpolitisierung des Politischen aus und paßt gut in einige Strömungen dieser Zeit.

Natürlich sind auch solche kritischen Erörterungen hier eher unerwünscht. Ich habe mir sagen lassen, es müsse bloß mein Namen genannt werden, schon bilde sich eine Front. Das geschieht, falls es so zutrifft, übrigens diskursfrei, ohne daß Gründe offen genannt würden. Gut. Und die Kunst?

Die ist selbstverständlich diskutierbar, weil es Kriterien gibt, weil es ästhetische Erfahrungen gibt, also Wahrnehmungserfahrungen, weil es Kommunikationsakte gibt, die weit über das hinausreichen, was der Alltag machbar erscheinen läßt.

Rund um die Glaeser-Session war auf jeden Fall zu notieren, daß es erfreulich populär geworden ist, sein eigenes Leben aufzuwerten, indem man sich aus Passion künstlerischen Praktiken widmet. Daß daraus nicht zwingend Kunstwerke entstehen, sollte allgemein klar sein, wird aber gerne bemäntelt.

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Da ist also nun ein Schlußpunkt unter einige Verläufe zu setzen, um für neue Entwicklungen Platz zu machen. Um Dr. Ian Malcolm (Jeff Goldblum) im Film "Jurassic Park" zu paraphrasieren, wenn er da sagt: "Das Leben findet immer einen Weg.", das paßt doch, schließe ich dieses Kapitel mit: "Die Kunst findet immer einen Weg." (Das Auto ist übrigens ein 1965er Chevrolet Impala Super Sport.)

-- [Dokumentation] [Howl: Wegmarke] --


coreresethome
28•17