log #613: Was ist Kunst?

Es ist Zeit, bei manchen Dingen einen Schlußpunkt zu setzen. Haben wir nun eine Debatte über Kunst geführt, darüber, was Kunst sei? Zum geringsten Teil, annähernd gar nicht. Es wurde hauptsächlich die Erörterung einiger kulturpolitischer Fragen und der Überlegung: Wohin will Gleisdorf? Wir wissen es nicht.

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Eine Stadt, welche neuerdings die 10.000 Einwohner-Marke mit ausladender Geste überschritten hat, aufstrebend, mit wachsendem Zuzug, unter Vollbeschäftigung, aber es gibt keinen konkreten Hinweis, welches kulturpolitische Konzept den Weg dieses Aufstrebens begleiten soll.

Das ist eben auch ein Statement und es ergibt eine Faktenlage, die zur Kenntnis genommen werden muß. Das ist durchaus eine Antwort auf kulturpolitische Fragen. Und die Kunst? Ich hatte im Vorfeld dieser Session schon angedeutet, daß wir zu bereden hätten, ob zwischen Kunst, Dekoration und Bastelarbeit unterschieden werden könne.

Ich hab hoffentlich deutlich gemacht, daß vertauschte Etiketten abzulehnen seien, weil wir nicht wissen, worüber wir reden, wenn die Begriffe der völligen Beliebigkeit ausgesetzt werden. (Ein Tisch ist kein Sessel etc.) Angelegentlich der im Zentrum vorzufindenden "Obeliske" ging es dann in kleiner Aufstellung kurz darum, meine Einwände gegen solche Dekorationsgegenstände zu begründen, da diese Schaustücke unter die Flagge von "Kunst" (angeblich) weltweiter Relevanz gestellt sind. Dem hab ich widersprochen. Aber mit welchen Argumenten?

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Freilich läßt sich präzisieren, was Unterscheidungsmerkmale sind. Wer über kein ausreichend geübtes Auge verfügt, um die Proportionen einfachster, stilisierter Körper zu bewältigen, hat noch einen weiten Weg des Erfahrungsammelns vor sich, der nicht unbedingt im Licht der Öffentlichkeit gegangen werden muß. Wer keine ausreichend geübte Hand hat, um die Dynamik dynamischer Linien zu bewältigen, sollte seine Hände üben, statt sich der Öffentlichkeit anzudienen.

Sehen Sie sich bloß die Konturen der Linien dieses Ausschnittes (oben) an! Hier muß man sich ja entscheiden. Ich male das entweder völlig bedenkenlos, emotional und kraftvoll, wie kleine Kinder das tun, was meist unleugbare ästhetische Qualitäten hervorbringt. Oder ich wende eben die Eleganz jenes schwungvollen Striches an, der sich aus einer Mischung von etwas Talent und tausend Stunden des Malens ergibt, weil ich weiß, was ich tue und weil ich dazu in der Lage bin. Aber das, was man hier sieht, ist die Simulation von Malerei, ein Anmalen, mehr nicht.

Gegen all diese Posen wäre kaum etwas zu sagen, wenn sich dieses Projekt nicht jüngst mit einem erheblichen Aufwand an Public Relations der medialen und realen sozialen Öffentlichkeit dieses Gemeinwesens aufgedrängt hätte, um lauthals die Position der Kunst zu besetzen.

Das ist mein Stein des Anstoßes in einer Zeit der Selbstoptimierer und der glänzenden Selbstdarsteller, wovon mir zum Beispiel auch in Betrieben ständig erzählt wird... So wieder vor zwei Tagen in den Lehrwerkstätten von Magna Steyr, als ich wieder einmal mit den alten Meistern unterwegs war. Ich höre übrigens das Gleiche beim auch Kaufmann in unserem Stadtzentrum. Es ist keine Domäne der Industrie..

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Da kommen Leute an, setzen sich gut in Szene, machen einen passablen Eindruck, aber sie können nicht, was sie behaupten, und sie werden nicht tun, was sie zugesagt haben. Das wirft für mich nun keine moralische Frage auf, weil die Leute selbst klären mögen, ob sie sich mit Moral oder mit Ethos so einrichten wollen, so einrichten oder so. Das ist mir herzlich egal.

Doch ich will nicht die Augen ausgewischt bekommen, ich möchte nicht ständig auf der Hut sein müssen, daß alles doppelbödig sein könnte und ich will nicht mit Menschen zu tun haben, deren Gemüt man mit Qualitäten von Roßtäuschern oder Autoschnalzern darstellen könnte. Es ließe sich auch so zusammenfassen: Ich will nicht für dumm verkauft werden.

Nun sind das aber derzeit sehr populäre Konzepte. Wenn es mir aufgedrängt oder angedient wird, wenn es mir in die Quere kommt und all die Marktschreierei das Gesülze und Gewäsch vermehrt, ein Geschnatter anstimmt, in dem mir jemand warmes Wasser verkaufen möchte, nehm ich das persönlich, denn sobald ich aus der Haustür trete, geht es ja schon los mit den Werbebotschaften und Wichtigkeitsnachrichten, welche sich ins Blickfeld drängen.

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Dazu paßt wie bestellt eine heute vorliegende, ganzseitige Werbeeinschaltung in der Kleinen Zeitung. Was für eine Chuzpe! Dieser staatliche Rundfunksender hat bloß noch ein paar Nischen, welche nicht dem Boulevard zugerechnet werden müssen. Dieser Boulevard ist so breit und glatt wie der Daytona Beach. Das also ein Ort, an dem die Welt in Ordnung sei, dazu das Portrait des tadellosen Sepp Forcher, was unterstellt: Hier ist Heimat!

Schein und Pose. Eine gefühlsduselige Behaupterei, deren Motive nicht gar so schwer zu erraten sind. Mit solchem Feel Good-Gesumse läßt sich offenbar reichlich materieller und immaterieller Profit einfahren. Soll sein. Ich aber will davon weder bestürmt, noch umspült werden. Gut. Zurück zum Thema.

Wenn nun unser Thema "Was ist Kunst?" lautet, ist nicht bloß über kulturpolitische Rahmenbedingungen zu reden, sondern darüber, ob es für Kunstwerke Kriterien gibt, anhand derer wir sie vergleichen können. Die gibt es selbstverständlich.

Auch das will für solche Fragen wie ein Mantra immer wieder hergebetet werden: Kritisieren heißt vergleichen. Es geht als um Relationen. Es geht in der Folge um Referenzsysteme. Es geht um Zusammenhänge. Seit wir zumindest amtlicherseits keine Untertanen mehr sind und die Ständegesellschaft hinter uns liegen sollte, ist eine "Kritikerhierarchie" nicht mehr vorgesehen. Das bedeutet, alle dürfen. Aber man sollte besser was zu sagen haben, sonst lohnt ja das Hinhören nicht. [Fortsetzung]

-- [Dokumentation] [Howl: Wegmarke] --


coreresethome
28•17