log #325: kunst ost [Vorlauf] Wie kommt das
alles in ein einen praktikablen Zusammenhang? Meine bevorzugte Metapher: Die Region
ist eine große Erzählung, die sich selbst erzählt. Das bedeutet
konkret: Kunst- und Kulturschaffende bemühen sich um Beiträge für die
"Inszenierung" dieser Erzählung, auch ganz andere Akteurinnen und Akteure
suchen sich darin eine Rolle, die ihnen gefällt.
Ein konkretes Beispiel: Der Techniker Michael Toson ist
Mitarbeiter bei "Magna Steyr". Er entwirft mit Leidenschaft Ausschneidebögen.
Sein jüngstes Werk zeigt insofern einen historischen Aspekt, als das ein "U3"
von (vormals) "Steyr Puch" ist. Das Modell eines nicht erhalten gebliebenen
Prototyps, dem das legendäre "Puch-Schammerl", der Steyr Puch 500 folgte. Dazu
soll übrigens in Kooperation mit Graphic Novelist Jörg Vogeltanz eine kleine Produktion
entstehen: [link]
Damit ist nun auch das von uns bedachte Genre
"Kunsthandwerk" im Blickfeld. Dort kann es nicht bloß um
"klassischen" Versionen gehen, wie etwa Korbflechten, Töpfern, Kerzenziehen
etc. Wir suchen nach jüngeren Formen, die künstlerisches Gestalten und handwerkliche
Ambition verknüpfen, ohne damit auf das Genre "Gegenwartskunst" zu zielen.
Wie im vorigen Eintrag
erwähnt, die Gegenwartskunst im Sinne einer avantgardistischen Position ist bei weitem
nicht das breiteste Feld in den Regionen. Es dominieren eindeutig "Voluntary
Arts" und Kunsthandwerk.
Dieser Umstand kann nicht ignoriert werden. Nina
Strassegger-Tipl hat eben begonnen, sich jenem speziellen Themenschwerpunkt in unserer
"Entwicklungsabteilung" zu widmen. Strassegger-Tipl war übrigens schon vor zwei
Jahren Teil des Projektteams [link], mußte ihr Engagement aus privaten Gründen aufgeben, ist aber
nun wieder in dieses Experiment eingestiegen.
ZUGLEICH bleibt Kunst auf internationalem Niveau ein
wichtiger Bezugspunkt der Entwicklung. Inputs "von außen" halte ich für
unverzichtbar. Nicht nur Fragend der Kunst betreffend, sondern auch Fragen der
kulturpolitischen Strategien.
Hier Milica Tomic,
eine serbische Künstlerin von Rang. Ihr schräg gegenüber Philosoph Branimir Stojanovic,
der hier auf meiner Strecke eine Markierung besetzt: [link] Das hat sich so eben
in Banja Luka in Bosnien zugetragen; bei einer Kunstbiennale und einem Treffen der Gruppe
"Spomenik".
Wir haben aus den laufenden Jahren heraus nun
Arbeitskontakte zu Kunst- und Kulturschaffenden aus Bosnien, Serbien und dem Kosovo. Warum
hat das seinen Sinn für die Region? Einerseits ist ein Erfahrungsaustausch mit Menschen
aus dieser Region für uns sehr anregend. Andrerseits erleben wir eine Zeit, wo quasi
Europa damit ringt, was es denn nun sein möchte; für die nahe und fernere Zukunft.
Da erscheint es einigermaßen sinnvoll, sich gerade mit
Menschen aus diesen Ländern zu verständigen, Nationen, die als inferior abgestempelt
wurden, von posttraumatischen Gesellschaften bewohnt. Dort ist so vieles offen und
deutlich im Umbruch, daß wir in der Begegnung so manches entdecken können, was uns auch
ausmacht, verborgen in den Klamotten des Wohlstandes.
Um es noch einmal in aller Deutlichkeit zu betonen: Nicht
weil wir nun klüger wären und ihnen etwas nahebringen wollten suchen wir diese Kontakte,
sondern im Bemühen um eine Begegnung in Augenhöhe mit Menschen, die teilweise extreme
Erfahrungen gemacht haben.
Menschen wie Selman Trtovac (Foto) von "Treci Beograd" oder Radenko Milak
von "protok". Und so sind
unsere Aktivitäten zwischen den verschiedenen Genres gespannt, ohne gegen einander
ausgespielt zu werden. Eines sichert dem anderen Boden und Möglichkeiten.
[kunst ost]
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