Log #99

Die Ausstellung erstreckt sich über zwei Stockwerke. Wenige Tage nach der Vernissage zu einer Werkschau des Malers Michael Geyer [link] fand im Gleisdorfer "forum KLOSTER" ein Frühschoppen statt. Das Erdgeschoß und der große Saal waren dabei mit Menschen geradezu überfüllt.

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Bei dieser Veranstaltung [link] fand man eine ganze Reihe von Geyers Bildern verhängt. Nackte Körper, Leiblichkeit, Sexualität als Thema. Eine konzeptionelle Schrulligkeit, die Arbeiten so zu zeigen, daß sie zur Debatte stehen müßten. Die möglichen Debatten fanden aber nicht statt.

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Kurz darauf wurde ein "Mahnmal" eingeweiht, das an einen Todesmarsch ungarischer Juden erinnert. [link] Die Festveranstaltung dazu fand ebenfalls in diesen Räumen statt. Da waren die Bilder nicht mehr verhüllt, sondern abgenommen.

Ich fragte bei deser Veranstaltung die Büchereileiterin Susanna Schrampf, was es damit auf sich habe und vom wem diese Anordnung gekommen sein mag. Schrampf ist nicht nur aktive Gemeinderätin. Sie war Kulturrefrentin Gleisdorfs, hat eben jene Werkschau in dieser Funktion beschlossen und bei der Eröffnung eine Laudatio auf Geyer gehalten.

Ich konnte von ihr keienerlei Hinweis auf Motive und Prozedere der "Bildausblendung" bekommen, obwohl sie die zentrale Promotorin der Ausstellung ist. Worum geht oder ging es dabei? "Ich weiß es nicht!" betonte Schrampf.

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Die Inhalte der abgenommenen Bilder sind mir nicht erinnerlich. Also sah ich mir einige der verhängten Exponate an. Im ersten Stock fand ich zum Beispiel diesen weiblichen Akt. Wer könnte sich über so ein Blatt erregen, das weit weniger zeigt, als jede Ausgabe der "Kronenzeitung", das meistgelesene Blatt Österreichs? (Ganz zu schweigen vom Unterschied in Bildqualität und Kontext.)

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Eine andere Veranstaltung. Österreichische Spitzen-Banker und der Soziologe Gero Jenner diskutieren den amerikanischen Banken-Crash. Auch hier sind Bilder verhängt. Was ist unter diesem Tuch verborgen? Ich habe anderntags nachgesehen.

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Ein weilblicher Torso. Nicht gerade so vorzüglich ausgemergelt, wie uns das in Boulevardblättern mit einem einzigen Motiv, nämlich dem Genereiren von erhöhtem Speichelfluß, laufend vorgesetzt wird.

Es scheint offenbar, daß Kunstwerken eine "Obszönität" zugeschrieben werden kann, die in keiner seriösen Debatte nachzuweisen wäre. Dagegen dekorieren viele Geschäftsleute im Alltag permanent ihre Verkaufssituationen von Gütern mit "Frauenfleisch", was definitiv obszön ist, weil hier Kaufanreize sexuell aufgeladen werden.

Zur Ausstellung und zu den verhüllten, teils abgenommenen Bildern stellt sich nun vor allem folgende Frage:

Was bedeutet es für Kunstschaffende, wenn in einer modernen Demokratie
jemand meint, solche Bilder müssen den Blicken
der Menschen entzogen werden?

Es entsteht Diskussionsbedarf, da jemand offenbar meinte, sich hier allfällige Diskussionen ersparen zu können. Welche Diskussionen? Die mit empörten Menschen? Hat sich jemand empört? Wurde vorauseilend verhüllt? Worum geht es hier?

Fußnote: Bitte keine leichtfertige "Zensurdebatte". Zensur ist etwas anderes, ist von schwerwiegenderen Bedingungen getragen. Genauer: Zensur ist ein Kontrollsystem, das von staatlichen Einrichtungen erstellt systematisch engewandt wird.

Hier haben wir es mit einem Fall von "Schere im Kopf" zu tun.


resethome
41•08