Log #91[Vorlauf] Warum sollen sich Kunstschaffende mit
Theorie, Regionalentwicklung, Politik, mit Bereichen herumschlagen, die mit den
Kernkompetenzen der künstlerischen Praxis eigentlich nichts zu tun haben? Fragen dieser
Art höre ich oft. Ergänzt um die unsinnige Empörung darüber, daß einem meist keine
aristokratische Position angeboten wird, die davon handelt, daß man von allen trivialen
Anforderungen befreit sei, um sich bloß "seiner Kunst" widmen zu können.
In Weiz haben wir nach dem hier gezeigten Treffen solche Themen auf dem Tisch gehabt.
Links sieht man Iris Absenger, die leitende Managerin der "Energieregion Weiz
Gleisdorf". Es geht in solchen Zusammenkünften darum, sich gegenseitig zu
informieren, welche Themen- und Aufgabenstellungen aktuell zur Debatte stehen. Erst davon
ausgehend läßt sich ja klären, ob man in diesen oder jenen Vorhaben Schnittpunkte
findet. Ab da kann dann überlegt werden, welche Vorhaben allenfalls konzipiert und
finanziert werden könnten.
Es gibt Kunstschaffende, die zugleich in der Kunstvermittlung tätig sind. Denen muß
man solche Kausalketten nicht erst erklären. Wie etwa Michaela Zingerle (links vorne),
Initiatorin des Festivals "styrian
summerart". Andere verweigern sich solchen Zusammenhängen, was sie letztlich in
einen kindlichen Status wirft: Großes Wollen und volle Abhängigkeit von anderen Leuten,
weil sie selbst sich nur ihrem künstlerischen Tun gewachsen sehn.
Das sind weitere Zusammenhänge, wegen derer ich hier in der Region stärker auf
ÖFFENTLICHE Diskurse über solche Themen setzen möchte. Wie schon angedeutet: Nicht
bloß im Range privater Plaudereien. Darum auch, wie im vorigen
Eintrag dargelegt: Debatten mit Leuten von außen, von auswärts. Nicht bloß ein
Kochen im eigenen Saft, gemütlich im Schatten des Kirchturmes, in sicherem Abstand vom
Tellerrand. Statt dessen: Raus aus dem Schaukelstuhl!
Ich habe keinen Zweifel, daß sich da manche Wege trennen werden. Eintrag #1182 in
meinem Logbuch erzählt von der Ausfahrt mit dem Kunstsammler Erich Wolf. Er sprach mir
von einer "Bastelbewegung in der Kunst". Das ist ganz okay, hat aber in
Reichweiten und Kraft zu enge Grenzen.
Künstler Walter Kratner hat mir jetzt einmal kursorisch zugesagt, daß er mit mir
einen etwas radikaleren Weg einschlagen würde, wenn wir die "3 von 3" im Rahmen
von "Kunst O.ST" angehen möchten.
Insofern radikaler, als mir an einem Zugang liegt, bei dem Kenntnisse vorausgesetzt
werden können, die sich nicht sofort erschöpfen, wenn es in möglichen Referenzsystemen
der Kunst plötzlich abgründig tief werden mag. Plüschig ausgedrückt: Mit Vollgas in
die Kurve. KUNST! Das ist doch kein soziokulturelle Kuscheleck!
Man muß solche Optionen nicht scheuen, bloß weil man an anderen Ecken der Geschichte
für Menschen zugänglich bleiben sollte, die sich einem "breiteren Publikum"
zurechnen. Das sind verschiedene Zimmer eines viel größeren Hauses.
In dem Zusammenhang noch eine Notiz zu Fenz und zur Kunst im öffentlichen Raum, wie im
Eintrag #88 angerissen:
Mit einem Statement, das der Gegegenwartskunst in dieser Stadt (Gleisdorf) Rückhalt
verspricht, leitete Bürgermeister Christoph Stark die Präsentation einer
Klanginstallation von Hans W. Koch ein. Unter den Bäumen hinter dem Gleisdorfer Rathaus
kann man nun jeweils zur vollen Stunde die Steirerliedzentrifuge laufen
hören.
Ein Projekt des Institut für Kunst im öffentlichem Raum, dem der
Kunsthistoriker Werner Fenz vorsteht. Mit ihm kamen die Kuratorin Evelyn Kraus und der
Musiker Josef Klammer, welche für einige aktuelle Institutsprojekte verantwortlich
zeichnen. Kunst sei keine Dekoration, betonte Fenz, sie will in dieser Gesellschaft
Position beziehen.
Bei der Vorstellung der
Steirerliedzentrifuge auf dem neuen
Gleisdorfer Rathausplatz; von links: Christoph Stark, Josef Klammer,
Werner Fenz, Hans W. Koch
Fenz ist der Ansicht, im öffentlichen Raum herrsche zu weitgehendes Reglement, er sei
stark standardisiert, was uns meist gar nicht mehr bewußt werde. Provokante Werke im
öffentlichen Raum würden zu Diskussionen führen.
Klammer betont die Kategorien "öffentlich, unprivat, privat", wobei er mit
"unprivat" öffentliche Räume meint, die von der Allgemeinheit nicht genutzt
werden. Es ist ganz erfreulich, daß ein Bürgermeister sich solche Erörterungen anhört.
Jetzt höre ich manche sagen: Naja ihr in Gleisdorf, ihr habt es gut. In der Tat! Daß
mich der Bürgermeister von sich aus anruft und sagt: "Bei Dir läuft es gerade
ziemlich gut, hm? Gehen wir auf einen Kaffee und erzählst mir den Stand der Dinge."
ist eine mehr als ungewöhnliche Situation.
Aber sie ist nicht von selbst so gekommen. Da mußten einige Leute aufbrechen und den
Willen behalten, auf einander zuzugehen. Dafür braucht man gute Gründe. Die fallen nicht
vom Himmel.
Apropos Himmel! Walter Kratner, den ich oben erwähnt habe, geht nun an die Arbeit, um
das Programmheft für unseren Beitrag zum heurigen Festival "steirischer herbst"
zu gestalten.
Er hat sich bezüglich des Covers für diese fröhliche Arbeit aus der "Art
Klinika" entschieden. Das referiert auf Bildcodes, wie sie bei uns vor der
Renaissance noch geläufig waren und heute in der Orthodoxie nach wie vor gelten. Dabei
ist Gold die "Nicht-Farbe", die Repräsentanz von etwas Nichtirdischen, also
quasi eine Kategorie des Himmels. ("next
code: exit") "Partieführer" dieser Geschichte ist übrigens der Rom
Nikola Dzafo. (2.v.r.) [Genau: Die Roma (als Gruppe), der Rom (als Mann), die Romni (als
Frau).]