Log #88

So viele Jahrzehnte intensiver künstlerischer Praxis. Ein Gesamtwerk von Rang. Vor etlichen Jahren hat Hannes Schwarz sein letztes Bild gemalt. Inzwischen ist er physisch nicht mehr in der Lage einen Pinsel zu führen. Was hingegen nie geendet hat: Das Ringen um Klarheit, ob die Arbeit etwas taugt.

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An einem Nachmittag sagte Schwarz auf der Terrasse seines Hauses: „Es wohnt eine tiefe Unsicherheit neben meiner Sicherheit.“

Was für eine Lektion!

Ein Metier ohne Gewißheiten. Stets bleibt etwas offen. Manchmal bleibt alles offen.

Der alte Mann sagte lächelnd: „Oft habe ich das Gefühl, meine Zeit kommt erst!“ Nach einer kleinen Pause fügte er hinzu: „Wenn der ganze Jahrmarkt vorbei ist.“

Cut!

Kunst im öffentlichen Raum. Wenn man das nicht achtsam begleitet, wird es schnell zum aufgelegten Thema der Abteilung "Za wos brauch ma des". Diese Frage, wofür man das brauche, fällt ja auch in anderen Disziplinen immer wieder an. Ein griffiges Beispiel: Wie verhält sich "angewandte" Forschung, also jene, die unmittelbar anwendbare Ergebnisse bringt, zur Grundlagenforschung?

Ich war mit dem Maler Hannes Schwarz im Konsens gewesen: Wir hätten es ohne symbolisches Denken, ohne all das, wovon künstlerische Praxis handelt, nicht einmal bis ins Neandertal geschafft.

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In Gleisdorf besteht mittlerweile eine schöne Kontinuität einer unübersehbaren Präsenz von Gegenwartskunst. Hier im Vordergrund der Künstler Hans W. Koch, dessen Klanginstalltion ("Steirerliedzentrifuge") hinter dem Rathaus eingerichtet wurde und da zu jeder vollen Stunde anläuft.

Rechts hinter ihm Kunsthistoriker Werner Fenz, links hinter ihm die Kuratoren Evelyn Kraus und Josef Klammer. Die Crew des "Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark". (Siehe dazu auch Logbuch-Eintrag #1173!)

Fenz betonte die Provokation als eine legitime Option der Kunst, um Debatten in Gang zu bringen: "Provokante Werke im öffentlichen Raum führen zu Diskussionen."

Bleibt die interessante Frage, was damit in der Praxis gemeint sein mag. Es weist ganz offenbar nicht auf mögliche "Skandale" hin. Obwohl genau das in der Regel äußerst "medienwirksam" ist, zugleich aber vor einer sehr hoch gelegten Latte steht. Ich meine: Wie es auf dem Boulevard schon seit Jahren zugeht, hat man es nicht leicht, einen  "Skandal" zu liefern, der es auf ein Cover schafft.

Ich bin kein Anhänger jenes Aktionismus, der einen in Schlagzeilen bringt, auch wenn sowas ohne Frage für das Geschäftliche recht vorteilhaft ist.

Die interessantere Provokation liegt in einem klar vertretenen Anspruch auf nennenswerten Anteil an jener Definitionsmacht, mit der die "Weltdeutung" betrieben wird. Daß also Kunstschaffende einfordern, neben der Wissenschaft, der Politik, dem Journalismus etc. mit keineswegs geringerer Kompetenz und Legitimität an der "Beschreibung der Welt" mitzuwirken.

Dieser Anspruch ist letztlich sehr viel provokanter als jenes vordergründige Durchdeklinieren üblicher Abwehrreflexe gegenüber längst kanonisierten Kunstpraktiken wie zum Beispiel jenen eines Hermann Nitsch etc.

Vielleicht ist genau das ein sehr interessanter Aspekt am Status quo, daß eben Nitsch, Brus und andere heute immer noch viel mehr Anlaß zu Widerständen geben als dieses radikale Zugreifen auf Deutungshoheit.

Unterschiedliche Kräftespiele, deren hauptsächliche "Ereignisorte" völlig verschieden angelegt sind ... Ich denke zuweilen: Der Skandal hat seinen "Ort" in den Medien. Was mich dagegen interessiert, hat seinen "Ort" im öffentlichen Raum einer "Res publica" ... wobei sich beides gegenseitig bedingt: Öffentlicher Raum und öffentlicher Diskurs.


resethome
31•08