Log #77

[Vorlauf] Die Veranstaltung "Quote quo vadis", initiiert von Walter Köstenbauer, war ein Akzent von "kunst O.ST", durch den Medienkritik in unseren Reihen mehr Gewicht bekommen sollte. Ich hab in meinem Logbuch dazu notiert:

>>Medienkritik. Das erschöpft sich doch hoffentlich nicht darin: Zu kritisieren, es stünde zu wenig Platz für Kulturberichterstattung zur Verfügung. Das müßte heißen, eine gesellschaftliche Situation zu prüfen und zu beschreiben, in der "gesellschaftliche Realität" durch Medienanwendungen generiert wird.<< [Quelle]

Bei einem anderen "kunst O.ST"-Ereignis, dem Vortrag "Was ist Kunst?" des Philosophen Erwin Fiala, war zur Sprache gekommen, daß Politik und Ökonomie festlegen, was Kunst sei und was nicht, falls wir uns mit dieser Frage nicht befassen mögen.

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In einem Gespräch mit dem Gleisdorfer Kunstsammler Erich Wolf hatte ich ihn nach verschiedenen Aspekten der heutigen Geschäftswelt befragt. Wolf sagte völlig unaufgeregt, wir seien eine satte Gesellschaft, denen von anderen Weltgegenden her hungrige Akteure mit einem Tatendrang begegnen würden, der bei uns inzwischen weitgehend unbekannt sei.

Weshalb er auch sehr schlicht skizzierte, was eine geschäftliche „Harakiri-Position“ sei. Wenn nämlich jemand meint, er wolle die Dinge machen, wie er sie immer gemacht habe: „Man darf nicht bieder vor sich hinarbeiten. Wer zu Laufen aufhört, ist schon bald ganz hinten. Weltweit genauso wie regional.“

So. Das war nun kein Teil unseres Gespräches über die Kunst, sondern über die Wirtschaft. Wachstum, Fortschritt, Beschleunigung ... sind das Kategorien bloß der Ökonomie? Müßten sie demnach etwa auf dem Kunstfeld ausgeschlagen werden? Welche Rolle spielen heute die Medien im Verbreiten und Etablieren jener "Tugenden", die nötig sind, um die Ökonomie, die wir eben erleben, zu ertragen, sogar mitzutragen?

In diesen Zusammenhängen sei es ganz falsch, meinte Wolf, aus irrationalen Gründen Geld anzuhäufen. „Wir sind noch in den Umbrüchen“, sagte er zum Stichwort Globalisierung. Darunter verstehe man, verkürzt dargestellt, eine Situation, in der Unternehmen versuchen, Konkurrenten mit allen nur denkbaren Mitteln vom Markt zu drängen. „Die Kleinen erwischt es natürlich zuerst. Dann treten die Großen gegen einander an.“

Eine bloß auf Geld bezogene Deutung von Geschäftstüchtigkeit habe dann harte soziale Konsequenzen. Die Frage nach dem Ziel würde stets wichtig bleiben. Man müsse als Mensch wie als Unternehmer Perspektiven finden. Zur Frage nach einem Maßstab für Tüchtigkeit spricht Wolf schließlich von „Lebenserfüllung“. Weshalb er sich übrigens den Weg in die Kunst offen hält.

Kunst. Medien. Wirtschaft. WAS hängt da WIE zusammen? Die Antworten wird uns dazu niemand in den Briefkasten werfen.

Es wäre auch zu fragen, ob denn folgende Passage heute noch einen nennenswerten Stellenwert hat. Und falls ja, was wir daraus schließen. Diese Passage stand in einer Monatsschrift des Jahres 1784:

>>Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. ...<<

So beginnt Immanuel Kants Text
"Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?" [Quelle]

Cut!

Die erste Session von "next space" ist gelaufen. (Siehe Eintrag #74!) Wir haben dabei das aktuelle künstlerische Credo des Labels "SPLITTWERWERK" vorgelegt und Debatten erlebt, die nach weiteren Schritten verlangen.

Nun ist die aktuelle Ausgabe von "SKIN" erschienen, ein Supplement des Magazins "Forum" (architektur & bauforum); Cover und eine zwölfseitige Story sind dem "SPLITTERWERK" gewidmet. Die Story stammt, mit Verlaub!, von mir und eine Seite davon ist der Station im Gleisdorfer "herbst_raum" gewidmet. (Das war im Rahmen von "next code: love".)

Warum ich das hervorhebe? Weil mich sehr beschäftigt, was in dieser oder jener Praxisform möglich ist, wenn Kunstschaffende NICHT in Zentren abwandern wollen und ein relevanter Kunstbetrieb sich auch in der sogenannten "Provinz" ereignen soll. Ich erinnere mich gut an die "Karten-Geschichte" anläßlich meines Beitrages zu "Happy Birthday, Mister Johns!"

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Wir haben rund um die halbe Welt eine Veranstaltung mit Referenz an den Maler Jasper Johns realisiert. Auf der Karte dazu stand Gleisdorf in einer Reihe von Metropolen: "Firenze, Glasgow, Gleisdorf, L’Aquila, Livorno, Madison, Milano, New York, Perugia, Pforzheim, Roma, San Francisco, Stuttgart, Torino"

Ich wollte Bürgermeister Christoph Stark damals die Aussicht plausibel machen, relevantes Kunstgeschehen sei heute auf Augenhöhe mit Leuten in solchen Zentren möglich, sei längst nicht mehr ein Monopol dieser Zentren, was dann auch die "Kleinstadt" in Zusammenhänge stellen würde, welche neue Deutungen verlangten.

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Stark zog es damals vor skeptisch zu bleiben und meinte sinngemäß: Naja, das steht halt jetzt so neben einander, weil du da mitmachst. Gut, das war 2005 vermutlich eine angebrachte Unaufgeregtheit gegenüber der Ambition, auf dem Kunstfeld ein "Provinz war gestern!" zu konstituieren.

Sieht man sich HEUTE den Kontext an, in welchem diese kleine Aktion damals stattfand, kann man zumindest im Rückblick erkennen, wir das angelegt war, was sich nun als "next code" entfaltet [archiv #1] [archiv #2] und dabei in der Tat den "Raum Gleisdorf" als "Möglichkeitsraum" in einen internationalen Kunstkontext stellt.

Genau dafür ist das oben hervorgehobene Beispiel meiner Zusammenarbeit mit dem "SPLITTERWERK" ein passabler Beleg, denn selbstverständlich wird sich nicht in der Oststeiermark ereignen, was diese Leute international gemacht haben, nämlich an Locations, deren Liste so dahin geht: National Art Museum of China (Beijing), Museum of Modern Art (Shanghai), Biennale Sao Paulo, Biennale Venedig, Architekturgalerie München, Secession Wien, Deutsches Architekturmuseum Frankfurt, Künstlerhaus Wien ...

Es wäre blanker Unfug, wollte man in unserer Region mit den Möglichkeiten solcher "Zentren" zu konkurrieren versuchen. ABER! Da "Die Stadt" und "Das Urbane" eben ZWEIERLEI sind, haben wir abseits großer Städte heute allerhand Möglichkeiten, relevante Akzente zu setzen. Wie diese Session mit dem "SPLITTWERWERK", die eben genau NICHT in Graz oder Wien stattgefunden hat, dennoch Teil der österreichweiten "Architekturtage" gewesen ist und ein Echo in einem maßgeblichen Magazin Österreichs hat.

Cut!

Im Rahmen von "kunst O.ST" hatte ich ursprünglich vorgeschlagen, drei gemeinsame Schritte an die Öffentlichkeit zu erarbeiten, die in wachsender Dimension nach draußen führen. Soweit es meine eigene künstlerische Arbeit betrifft, habe ich nun meinen Ausgangspunkt für die "3 von 3" (im Jahr 2009) skizziert, daraus ergibt sich:

+) "1 von 3": "next code: flow"
+) "2 von 3": "next code: cruise"
+) "3 von 3": "next code: break"

Wie nun "flow", "cruise" und "break" zusammenhängen, ist in diesen ersten Notizen skizziert:

+) notiz #1: Ein Ausgangspunkt I
+) notiz #2: Ein Ausgangspunkt II


resethome
23•08