Log #76Was soll ich als
Künstler bloß tun, falls es mir nicht liegt, Texte zu verfassen und mich in
Kommunikationsnetzwerke einzubringen?
Was soll ich bloß tun, wenn ich einfach nur Künstler sein möchte, also mich meiner
primären Aufgabe, der künstlerischen Praxis, widmen möchte, während mir alles andere
unliebsam bleibt?
Was soll ich bloß tun, wenn ich nicht vorhabe, ein "PR-Experte" zu werden?
Das sind überaus verständliche Fragen. Richtig? Hier ein paar Antworten:
a) Aus gut situiertem Hause kommen. (Gustave Flaubert? Thomas Mann? Kasimir
Malewitsch?)
b) So verdammt gut sein, daß man sich im Feuilleton und in den Abteilungen für
Kunstgeschichte darum reißt, mich featuren zu dürfen. (Picasso?)
c) Die eigenen Kompetenzen erweitern.
d) Verbündete finden und Kooperationen herbeiführen, in denen man sich Aufgaben teilen
kann.
e) Profis bezahlen, die einem das erledigen, was man selbst nicht leisten kann/will.
f) Es bleiben lassen.
Da die Erfahrung zeigt, daß die Optionen a) bis e) nicht gar so gerne gewählt werden,
möchte man so manchen Menschen zurufen: "Laß es bitte bleiben!" Damit dieses
Gejammere endlich aufhört. Diese erbärmliche Herumrutschen auf den Knien. Als hätte
einer nach 50 Jahren noch immer nicht überwunden, daß sein Vater kein gütiger Vater
war. Aber daß er aufsteht und weggeht, losgeht, hinausgeht, seine Sache macht und diese
unwürdige Flehen um Zuwendung endlich sein läßt, kommt für manche offenbar nicht in
Frage.
Wovon ich hier überhaupt erzähle?
Von einigen Assoziationen anläßlich einer interessanten Debatte in Gleisdorf, die
eine abschließende Station des Festivals "pomale" gewesen
ist. (Siehe dazu auch den Eintrag vom 28.5.2008 in meinem Logbuch!)
Das Foto zeigt (von links): Michael Tschida (Kleine Zeitung), Peter Wolf (ORF
Steiermark), Thomas Wolkinger (falter), Carola Peschl (Forum Stadtpark), Herbert
Nichols-Schweiger (Berater von Landeskulturreferent Kurt Flecker) und Künstler Walter
Köstenbauer.
Was Köstenbauer (rechts) da initiiert hat, war als eine Gelegenheit zur Medienkritik
angelegt und ist hoffentlich der Auftakt zu weiteren derartigen Abenden. Zu einer
Erörterung der "Gesamtsituation", also der Zusammenhänge, in denen diese oder
jene Mediensituation sich heute zeigt, ist es dann nicht gekommen. Damit wäre der Abend
mutmaßlich überfrachtet gewesen. (Derart große Themenkomplexe lassen sich nicht flott
und salopp erledigen.)
So gesehen wäre die eine oder andere Folgeveranstaltung wünschenswert. Was meine
harsche Einleitung ausgelöst hat, war dagegen ein Impuls von der "anderen",
nämlich von "unserer", also von der Künstlerseite.
Was erzählt da einer vom Frust, der ihn quält, weil er seit vierzig Jahren medial
nicht wahrgenommen werde? Welche Verschleierung der Themenstellung! Welche Vergeudung
verfügbarer Diskussionsmöglichkeiten! Welches Ausschlagen eines (medien-) kritischen
Diskurses!
Was genau muß man eigentlich anstellen, um als Künstler mehrere Jahrzehnte in
steirischen Medien NICHT vorgekommen zu sein? Mönchische Weltabgewandtheit pflegen? Von
der Branche keinen Tau haben, nie was dazugelernt und niemand je um Rat gefragt haben?
Eine so gnadenlose Nervensäge sein, daß Redaktionstüren schon zuschlagen, wenn man das
Haus gerade erst betreten hat? Ich weiß es nicht.
Es gibt natürlich auch andere Optionen und es gibt definitiv Ausgänge aus der
"Jammerkultur". Man kann zum Beispiel solche Veranstaltungen besuchen und mit
den Profis ins Gespräch kommen; wie hier Michaela Zingerle ("styrian summer
art") mit dem Journalisten Michael Tschida.
Die "Medienprofis", wie auch Herbert Nichols, sind ja erfahrungsgemäß gut
gelaunt, einem in solchen Situationen zu erzählen, was ihr Job ist und wie er
funktioniert. Sie legen einem offen, womit sie es schwer haben und was ihnen leicht
fällt. Man kann sich also passable Eindrücke holen, welches Gegenüber einem in welchen
Bedingungen begegnet, wenn man sich an "Die Medien" wendet ... weil man sich --
genau! -- eben NICHT an "Die Medien" wendet, sondern an konkrete Personen, die
sehr konkrete Arbeitsbedingungen, Vorlieben und Abneigungen haben.
Wie natürlich auch Journalist Thomas Wolkinger, der mit Künstler Walter Kratner
offenbar vergnügliche Themen fand. Was muß man also anstellen, um nicht zu wissen, wer
konkret die Leute sind, die in der Steiermark das mediale Geschehen maßgeblich bewegen?
Aber die viel brisantere wie interessantere Frage ist freilich: Warum wollen und
müssen wir eigentlich in den etablierten Medien vorkommen? Und welche komplementären
Formen medial erzeugter Öffentlichkeit gibt es? [Fortsetzung]