Log #66Es wird für
gewöhnlich kein Problem sein, einen Autobastler von einem Automechaniker zu
unterscheiden. Wer über viele Jahre Freude am Klavierspiel hat, wird sich vrmutlich nicht
mit einer professionellen Pianistin messen wollen. Obwohl heute schon jedes Fitness-Studio
"eine Philosophie" hat, würde mancher Fitness-Trainer staunen, wie eine
Fachdebatte mit einem Philosophen verlaufen könnte.
Niemand wird die Fruchtbarkeit "kreativer Hobbies" übersehen. Aber in der
Praxis kommt es durchaus vor, daß sich "Hobbykünstler" verärgert dagegen
wehren, von Künstlern kategorial unterschieden zu werden. Weshalb?
Fragen von Rang und Prestige. Der Historiker Thomas Nipperdey gibt in seinem Essay
"Wie das Bürgertum die Moderne fand" einen sehr nützlichen Hinweis:
In einem Veränderungsprozeß, der historisch noch sehr jung ist, hat die Kunst der
Kirche einige "Kernkompetenzen" streitig gemacht. Knapp formuliert geht es da um
Daseinsdeutung, Sinnstiftung und Heilsverwaltung.
Da läßt sich erahnen, warum das Gedränge auf dem Kunstfeld manchmal so heftig wird.
Denn das sind Bereiche der "Deutungshoheit", die unlängst noch den "alten
Eliten" vorbehalten waren. (Eine "Partizipation der Massen" am politischen
und kulturellen Leben war noch in den Kindertagen meines Großvaters keine
selbstverständliche Sache.)
Wo diese Zusammenhänge dann eine (regional-) politische Brisanz bekommen, wird man
selbst beim nur oberflächlichen Graben auf folgenden Zusammenhang stoßen: Das Genießen
einer "Freiheit der Kunst" im selbstbestimmten "kreativen" Tun
verspricht, neben der "privaten Befriedigung", auch gesteigertes Sozialprestige,
wenn es dabei mit einigen Optionen klappt.
Bringt man dafür auch noch eine Kofinazierung aus öffentlichen Mitteln zustande, ist
eine Position erreicht, die allerhand Begehrlichkeiten erweckt.
Kleines Beispiel: Der Abt von Stift Admont erweist dem Maler Hannes Schwarz vor großem
Publikum und bei Anwesenheit zahlreicher Honoratioren öffentlich Referenz. Das ist eine
Situation, mit der natürlich viele Menschen zurecht kämen.
Ich hab im vorherige Eintrag notiert, Kunst sei
ein Geflecht von Relationen und Bedeutungen. Das ist ein komplexes Feld, auf dem
begleitende Debatten heute etwas Konstituierendes sind. Warum? Weil eben, wie erwähnt,
Daseinsdeutung, Sinnstiftung und Heilsverwaltung nicht mehr im Monopolbereich kleiner,
elitärer Kreise liegen, sondern weil da im allerbesten Sinne alle mitreden können.
Aber dazu muß man eben auch mitreden wollen und, mit Verlaub, mitreden können. Was
doch überhaupt ein Grundereignis der Demokratie ist: Offene und öffentliche Diskurse.
Debatten, durch die immer wieder neu verhandelt wird, was die Dinge seien, statt sich
einer "ewigen Wahrheit" zu unterwerfen, die außer Debatte steht.
Gleisdorfs Kulturreferent Hannes Felgitsch schrieb in seiner Kolumne im
"Stadtjournal" vom Februar 2008:
Ich möchte gerne anregen, einen Aspekt dieser Ansichten zu überdenken, zu revidieren.
Wenn zu einem so zentralen Bereich einer Gesellschaft (Kultur und Kunst) alle mitreden
sollen, falls sie das wünschen, tun das eben auch Kunstkritiker als Professionisten. Sie
gehören zu den "Deutungseliten" einer Gesellschaft, das ist ihr Geschäft.
Ob sie die Nase rümpfen oder nicht, ist dabei irrelevant. Ich muß mich den
Einschätzungen der Professionisten nicht unterwerfen. Aber wenn ich Öffentlichkeit,
Aufmerksamkeit und womöglich auch öffentliche Mittel beanspruche, werde ich mich in den
meisten Fällen kritischen Debatten stellen müssen. (Die ihrerseits der Kritik
unterworfen werden mögen.)
Ganz egal, ob man für die Umsetzung künstlerischer Vorhaben Geld von der Wirtschaft
oder von der Republik erbittet, es geht dabei IMMER um eine Form von
"Leistungsaustausch". Das bezieht sich nicht bloß auf materielle, sondern auch
auf immaterielle Mittel. (Pierre Bourdieu hat dafür den Begriff "symbolisches
Kapital" eingeführt.)
Felgitsch hat oben einen ganz wesentlichen Punkt berührt: "... aber wichtig ist
es doch, daß wir am kulturellen Leben teilnehmen ..." Diese Frage der Partizipation
ist eine Frage nach der Qualität einer Demokratie. Aber bei dieser Fragestellung wird man
feststellen, daß man eben nicht in der Lage ist, überall auch dabei zu sein.
Autobastler. Klavierspielerin. Hobbygärtner. Sonntagsmaler. Das Aussprechen der Worte
tippt Emotionen an. Viele Menschen, die in solchen "außerberuflichen" Freuden
einige Erfüllung finden, tendieren mindestens im Kunstbereich dazu, sich auch noch nach
dem Prestige der "Professionisten" zu dehnen. Ich sehe dort zugleich manchmal
energische bis aggressive Rektionen, wenn sie sich den selben kritischen Diskursen stellen
sollen, ohne die es dieses Berufsfeld nicht gibt.
Dieser Modus, "Wasch mich, aber mach mich nicht naß", ist natürlich ganz
unrealistisch. Ich wünschte, die regionale Kulturpolitik würde die kategorialen
Unterschiede beachten, weil deren Differenzierung erhebliche Konsequenzen für (nötige)
politische Maßnahmen hat.
Ich spreche hier die von einander klar zu unterscheidenden Kategorien an, was
+) künstlerische und
+) soziokulturelle Agenda seien.
Evelyn Schalk, Chefredakteurin der Zeitschrift "Ausreißer" (Siehe Notiz #3 bei
"next code: divan"!) hat Bedingungen des Kunstbetriebes in einem Essay
behandelt. "MediaMessAge 1" beginnt mit den Zeilen: