Log #31
Was Kapellmeister Sigfried
Teller hier abarbeitet, ist kein Dirigenten-Duett, sondern die Frage: "Wieviele
Bier? Wieviele Mischungen?" Die Situation hat sich so beim Gleisdorfer Pfarrfest
zugetragen. Daran ist unter anderem bemerkenswert, daß das Bild einige soziale
Zusammenhänge betrifft, die auch im Kunst- und Kulturkontext zur Debatte stehen.
Das sind unter anderem Fragen nach den Themen und
Anlässen, welche Menschen dazu bringen, das eigene Wohnzimmer, mehr noch: die eigene
Couch zu verlassen.
+) Was sind gute Gründe, sich zu treffen?
+) Welche Bedeutung kommt dabei öffentlichen Plätzen und halböffentlichen Räumen
(Veranstaltungsräume) zu?
+) Wovon handeln Feste und Feiern?
+)Womit werden sie begangen?
Es gilt, wie mir scheint, als unbestritten, daß wir zur
Zeit eine Art sozialen Klimawandel erleben. (Es wird kälter!) Wenn auch die Kunst keine
Aufträge entgegen nehmen MUSS, so ist doch KULTURELLES Engagement unter Verzicht auf
solche Fragestellungen gar nicht möglich.
Architekt Peter Lidl (seine Gesichtsfarbe kommt hier vom
Sonnenschirm!) hat mir bei diesem Pfarrfest (und bei einem gut gekühlten Bier) einen sehr
wesentlichen Denkanstoß gegeben. Lidl hat berufsbedingt mit sehr unterschiedlichen, meist
sehr kontrastreichen Team-Situationen zu tun.
+) Wo liegt nun die Latte, wenn eine Gruppe Menschen zu gemeinsamem Tun sich aufgerafft
hat?
+) Was sind die normativen Faktoren?
+) Wohin kann man gelangen?
Es scheint so einfach und naheliegend, ist mir aber selten im Blickfeld: Das
Erreichbare liegt eher nicht in den Ideen eines Initiators, sondern meist im konkreten
Potenzial der handelnden Leute. Ungeschminkt ausgedrückt: Das Projekt ist so gut wie das
Team, keinesfalls besser.
Einige Tage danach war ich mit einem anderen Architekten, Andreas Mayer, in der "Co"
bei ähnlichen Themenstellungen angelangt. Zugegeben, seine Gesichtsfarbe sieht hier nicht
gerade rasend natürlich aus. Ich wollte sehen, was meine Kamera ohne Blitz in
geschlossenen Räumen hervorbringt. (Das nächste Mal wird wieder geblitzt!)
Von Mayer nahm ich folgende Metapher mit auf den Weg: "Was nützt eine vierspurige
Autobahn, wenn alle auf der vierten Spur fahren?" Ja, da kann man ins Grübeln
kommen. Ich verfolge einige Fragen zum urbanen Leben im Kontrast zu ländlicheren Formen.
Mich beschäftigen dabei vor allem jene Konflikte, die sich zur Zeit ganz stark über
Meinungsunterschiede zu Verkehrsfragen und Mobiliät auftun. Weil ich immer stärker zur
Überzeugung komme, daß vieles davon quasi "Stellvertreter-Scharmützel" sind,
die eigentlich für andere Problemlagen im "sozialen Klimawandel" stehen.
Mayer bestätigte mir, bei einer Reihe von Kontroversen würden sich die Probleme
gleichen; vom Dorf bis zur Megacity. Obwohl die Strukturen des Alltagslebens da wie dort
zu einander grundverschieden sind. Wenn einem das auffällt, muß wohl von KULTURELLEN und
sozialen Phänomenen die Rede sein, die also ganz verschiedene DIMENSIONEN von
Gemeinschaften durchziehen. Ob darin nun völlig neue Fragestellungen liegen, oder ob
entlang der "conditio humana" sich da bloß etwas wiederholt, ist mir noch nicht
klar.
Dann wurde mir im "forumKLOSTER" noch deutlich, wie sehr sich manche Menschen
mit Erreichtem gegen mögliche Veränderungen abzuschotten wünschen. (Was natürlich
aussichtslos ist.) Das wurde mir am Beispiel "Rabenvögel" deutlich. Von denen
sich in Gleisdorf manche Menschen so sehr belästigt fühlen, daß sie die Schwärme
offenbar am liebsten ausrotten würden. (Sie wurden auch all jenen gegenüber auffallend
feindselig, die sich dahingehend äußerten, daß wir unseren Lebensraum mit Rabenvögeln
nun mal zu teilen hätten.)
Bürgermeister Christoph Stark
moderierte die höchst emotionale Debatte, teilweise umflattert von einem frei
herumschwirrenden Kind. Ich hab in der Erzählung "next code: reel" meine "Raben-Lektion" knapp
zusammengefaßt ... was da so alles kollidiert, wenn man -- streng am Eigennutz orientiert
-- sich wünscht, rigoros in ein komplexes System einzugreifen. (Ich werde den Verdacht
nicht los, die Raben-Geschichte ließe sich auch auf Menschen übertragen.)
In jenem Eintrag ("Raben-Lektion")
findet man übrigens auch einige weitere Details zu Fragen sozialer Schnittpunkte mit dem
"Orient" Wenn hierzulande resch der "Dialog mit dem Orient"
proklamiert wird, ist mir meist nicht besonders klar, was das meint. Schwüle Nächte bei
türkischem Kaffee? Bauchtänzerinnen im Extrazimmer? Mozart alla turca? Naja, abwarten!
Übrigens!
Ich hab in Eintrag #28 den Journalisten Michael
Tschida gescholten, er sei mit der Headline "Mehr Geruch nach Kebap" in die
"orientalische Klischeefalle" gerannt. Das will in Ordnung gebracht werden, denn
Tschida schrieb mir inzwischen:
>>Nur eine kleine Korrektur: "Mehr
Geruch nach Kebap" war keineswegs eine tendenziöse Anmerkung meinerseits, sondern
das (etwas veränderte) Zitat aus dem Interview mit dem Intendanten Dieter Spath, der dem
Festival- Rohkonzept mehr Tiefenschärfe geben will und bemängelt, dass es (sinnbildlich,
Zitat) "zu wenig nach Kebap riecht", sprich: in seinen Augen zu sehr historisch
und nicht im Alltag geerdet ist. So viel Exaktheit muss sein.<<
In der Tat, so viel Exaktheit ist wünschenswert, denn da wird ja nun Herr Spath
vielleicht bei Gelegenheit einiges zu erklären haben. (Nebenbei: Pardon, Herr Tschida!)
Nun wissen wir also, daß die "Regionale 2008" zwar explizit der Gegenwartskunst
gewidmet war, das Siegerprojekt allerdings "zu sehr historisch und nicht im Alltag
geerdet ist". Na servas! Das sind keine guten Nachrichten. (Quelle: "Der Standard")
Ferner wissen wir, daß das Siegerprojekt nicht gesiegt hat, weil man in der
verfügbaren KURZEN ZEIT einfach ein umwerfend überzeugendes Projekt entwickelt hat, dem
die anderen das Kebab nicht reichen konnten. Nein! Vielmehr wurde eine inhaltlich
erhebliche, schon bestehende und außerdem erheblich finanzierte VORLEISTUNG dafür
genutzt, wurde flott umgekupfert. Sie wurde anscheinend so HEFTIG umgekupfert, daß
die vormals Hauptverantwortliche nun offenbar den Gang zu Gericht erwägt. (Ein paar
weitere Details dazu im nächsten Eintrag!) Auch DAS
sind keine guten Nachrichten.
In den Suchmaschinen dominiert unter dem Stichwort "Regionale 2008" nach wie
vor die "EuRegionale 2008":
>>Willkommen - Welkom - Bienvenue! Die
EuRegionale 2008 ist eine trinationale Initiative, die wesentliche Impulse für
Wirtschaftsförderung, Regionalentwicklung und Kulturtourismus in der Dreiländer-Region
Aachen setzt.<<
Die Stadt Feldbach tut leider bis heute nichts, um unseren Wissensdurst zu stillen.
Zwei Websites aber Null Infomation zum Projekt "Diwan": [feldbach.at] [feldbach-stadt.at]
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