Log #28 Mit Hannes Felgitsch, dem Kulturreferenten der Stadt Gleisdorf,
hatte ich letzthin ein längeres Gespräch. Nicht bloß über das konzentrierte Bearbeiten
von Themen auf dem Kunstfeld. Da ist ja in der Region noch so mancher Weg in die Praxis zu
erproben reizvoll. (Keineswegs nur auf die Stadt bezogen, auf die ganze Region ...) Uns
beschäftigte auch das Thema "Personal Space", Wechselspiele zwischen privatem
und öffentlichem Raum.
Faktisch wird ja öffentlicher Raum immer stärker für
Automobile eingefordert und/oder von privaten Companies okkupiert. Sei es in der Stadt,
auf den Strecken, überall findet man die Phantasie, es könne schneller vorangehen, wenn
man nur ... ja was eigentlich? Diese Gesellschaft zeigt sich mit erheblicher Schlagseite
über immer mehr "Beschleunigungs-Opfer".
Solche Bilder sind dann nur EINE Variante des
Ausdrucks der anstehenden Probleme, die sozialer UND kultureller Art sind. Was hat das nun
mit dem Kunstfeld zu tun? Naja, künstlerische Praxis ist eine durchaus wesentliche
Quelle, um gesellschaftliche Realität zu erzeugen und darzustellen. Es ist keineswegs ein
Zufall, daß wir bei der Ausschreibung der neuen "Regionale 2008" mit dem Thema
Leben/Kunst/Geschwindigkeit angetreten sind. Am 7. Juni stellte die "Kleine Zeitung" zwölf
eingereichte Konzepte in Kurzform vor:
[Größerer
Ausschnitt]
Am 12. Juni schrieb Robert Breitler:
"Region Weiz im Finale -- Während das Rennen für die
Region Anger-Stubenberg-Pöllau bereits vorüber ist, hat Weiz-Gleisdorf noch gute Chancen
auf die Regionale 08. Heute ist es soweit. Nachdem bereits sieben der insgesamt zwölf
Konzepte im Rennen um das steirische Kulturfestival 2008 ausgeschieden sind, stellen sich
heute Vertreter der verbleibenden fünf einem Hearing einer Expertenjury. ..." (Quelle)
Wir erfuhren dann aber am gleichen Tag, daß
Feldbach den Zuschlag erhalten hat:
>>"Der Austausch zwischen dem Osten, dem
Orient, und dem Osten der Südoststeiermark, hat eine lange Tradition und dieser Dialog
soll wieder aufgegriffen werden", heißt es in der Projektbeschreibung.<< (Quelle)
Dieser Dialog mit dem "Orient", ein etwas
unscharfer Begriff: Orient, meint ja nicht erst den Nahen Osten, sondern schon
Südosteuropa, den sogenannten "Balkan".
Gut zu erfahren, daß so ein Thema für die Steiermark hohe
Priorität hat, da wir hier entlang der kulturellen Linie zwischen Wien, Beograd und
Istanbul erklärtermaßen mit genau solchen Zugängen befaßt sind. (Sie dazu etwa: "Warum Wien/Beograd/Istanbul als
Bezugspunkte?")
Am 14. Juni wurde in der "Kleinen Zeitung" das Ergebnis
der Ausschreibung vorgelegt, wobei Journalist Michael Tschida gleich einmal energisch in
die Klischeefalle rannte:
Das Thema "Dialog mit dem Orient" ausgerechnet
mit dieser tendenziösen Headline aufzumachen illustriert gleich, wie wichtig fundierte
Arbeit an diesem Thema wäre. Denn die "Orientalen" mit Kebap-Bratern zu
assoziieren unterschlägt, daß Europa ohne Averroes keinen Aristoteles mehr hätte, daß
dieser "Westen" kulturell nicht wäre was er ist, ohne Jahrhunderte intensiven
Austausches mit dem "Orient".
Das war übrigens nicht die einzige Kuriosität des
Beitrages. Man fand auch "Reaktionen" publiziert. Darunter stand folgender
Absatz, den ich recht bemerkenswert finde:
[Der komplette
Ausschnitt]
Man mag beiseite lassen, daß viele Kunstschaffende einfach
nicht begreifen wollen: Es gibt in unserem Metier keinerlei Abnahme-Garantie. Man bietet
seine Arbeit an und (wie bei jedem anderen Geschäft auch) wird das Angebot oft genug
ausgeschlagen.
Aber da ist noch etwas Anderes in diesen Zeilen, etwas sehr
Unangenehmes. Denn für gewöhnlich STERBEN Kunstschaffende hier (in einem der reichsten
Länder der Welt) nicht am Erarbeiten eines Projektpapieres für ein Millionen-Budget,
wenn eine Absage kommt. Während man "im Orient" als Intellektueller durchaus
eine Kugel in den Kopf bekommen kann. Ich denke gerade an Hrant Dink. (Siehe dazu Krusches
Log, Eintrag vom 26. Jänner 2007!) Augenmaß reicht eben oft nicht über den nächsten
Tellerrand hinaus ...
Cut!
Isidora Ficovic, Crew-Member von "next code: love", zeigt gerade
Arbeiten unter dem Titel "Ratman" in der FLU gallery, Rajiceva 10, Belgrade.
Inhabiting Isidora Ficovics expressionistic oils on canvas, the Ratman
emerges as a hyperbolic figure, possessor of superhuman abilities and ultimate fighter or
the human kind well-being. This is a novel imaginary demonstration of the superhero who
helps people endure changes that derive from technological development. An installation
display of this exhibition comprehends of five representative Ratman portraits that
symbolically fill the real space, while five hundred computer mice simultaneously rush
towards their virtual projection. Via simple syntheses of two spaces, real and virtual /
industrial and post-industrial, the artist consciously chooses naivety when approaching
this subject. This is what enables her to question digitally mediated communication and
place automatic ability of the apparatus at the center of critical substance, whilst
expressing the fear of human relations dehum anization, human body transformation
and robotizing of desire, thought and feeling.
Even if Ratmans supernatural powers and performance strategy remain
understated, the goals with social and existential implications signify his
socio-political activism. Emphasized details in this work: heart, erected penis and
pointer-fist that indicates Ratmans genitalia as a target, designate the core of
jeopardy. Using the language of expressionism enables Isidora Ficovic to stress even
better todays violated, but in post-industrial future, most likely, forever-lost
inner, psychological, emotional, spiritual and existential subject conditions. Therefore,
the Ratman should preserve the system of value where privileged positions are reserved for
unmediated contact and intimate human (love) relation that go beyond the sensation of
romantic experience and become a requirement for the human kind extension.
Mara Prohaska Markovic
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