next code: break / notiz #3

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Sonntag, 1. Juni 2008, Leibnitz. Das Gedicht habe ich selbst gelesen. Zur Prosa-Miniatur bat ich Irene S., diese Aufgabe für mich zu übernehmen. Ich war schon vorab sicher, ich würde auf der Bühne emotional nicht durch den knappen Text kommen. Das habe ich zwar noch nicht oft erlebt, aber ich weiß inzwischen, daß es eben Momente gibt, wo man auf der Bühne abbrechen muß. (Links der Bluesmusiker Oliver Mally.)

Ich hatte die beiden Texte für einen bestimmten Tag und Anlaß geschrieben, zu dem wir uns in Leibnitz getroffen haben, um uns in einer großen Runde von der Sängerin Christa Weber zu verabschieden, die einige Wochen davor ihrem Krebsleiden erlegen war.

Was geschah da und warum ist dieses Ereignis nun mit "next code: break" verknüpft? Ich will es -- etwas polemisch verkürzt -- so ausdrücken: Viele verstummen vor diesen Themen und der Betroffenheit, die sie auszulösen vermögen, wenn sie plötzlich nahe an einen heranreichen.

Was wäre (uns) die Kunst, wenn es uns die Rede verschlagen würde, wenn wir nichts zu sagen und keinen Ausdruck dafür hätten? Naja, auch DAS geschieht natürlich, denn als Irene fertiggelesen hatte, waren wir ALLE verstummt. Mit uns fast fünfhundert Menschen im Saal. (Siehe log # 1135!) Aber nach solchen Momenten, wenn wir uns wieder dem Leben und der Welt zuwenden, kann darüber nicht geschwiegen werden.

Das wird also EIN Aspekt sein, der in diesem Teil von "next code" im Blickfeld bleibt. Das große Innehalten, der Bruch, das Unabwendbare und Unumkehrbare ...

[Das Gedicht] [Die Prosa-Miniatur]

Ein anderer Teilaspekt berührt das genaue Gegenteil dieses Innehaltens, die maßlose Beschleunigung, aus der sich freilich oft der völlige Bruch ergibt.

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Wir haben die Welt mit "Streckenteppichen" überzogen. Die "Aristokratie der Geschwindigkeit" (Virilio) ist natürlich nicht zufällig ein Kernthema des Faschismus gewesen. In der Kunst fand das seinerzeit klaren Ausdruck im Gründungsmanifest des Futurismus, dessen erster Passus besagt:

>>1. Wir wollen die Liebe zur Gefahr besingen, die Vertrautheit mit Energie und Verwegenheit.<< [Quelle]

Daß Filippo Tommaso Marinetti und seine Entourage dem Faschismus nahe standen, wird bei Lektüre des Manifestes unübersehbar:

>>9. Wir wollen den Krieg verherrlichen -- diese einzige Hygiene der Welt --, den Militarismus, den Patriotismus, die Vernichtungstat der Anarchisten, die schönen Ideen, für die man stirbt, und die Verachtung des Weibes. <<

Vom Kunstfeld her war eine Menge an Audruck und Legitimation der Menschenverachtung gekommen, womit sich die Menschen ihre "neue Normalität" ausgestattet haben, um den Raubzug des Faschismus als staatlich begründetes "Kulturunternehmen" zu realisieren.

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Darum befassen wir uns hier unter anderem auch mit den ideologischen Vorboten dieser Geschehnisse, mit jenen "Autoritäten", die das geistige Rüstzeug für den Faschismus geliefert haben, teilweise längst bevor es den Faschismus gegeben hat ... wie zum Beispiel jener Ottokar Kernstock, welcher in der Oststeiermark immer noch an vielen Orten hoch verehrt wird. (Siehe dazu auch den vorigen Eintrag!)


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24•08