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#59
Chronique scandaleuse: 2021/10
[Vorlauf:
2021/9]
Eine Frage der Ehre
Ein Sektions-Chef als Drama Queen. Justiz-Sektionschefs
Christian Pilnacek: „Nein, einen vom VfGH fehlgeleiteten
Rechtsstaat kann man nicht mehr dienen …“ Das heißt im Klartext,
der Spitzenbeamte hält die Gewaltentrennung (eine Grundlage von
Demokratie!) für überflüssig, denn er entscheidet selbst, was
der Verfassungsgerichtshof taugt.
Andere VfGH-Urteile rezensiert er zum Beispiel so: „Wieder
Niederlage für den Rechtsstaat …“ Dazu meinte sein Freund, der
vormalige Justizminister Wolfgang Brandstetter: „Man muss
trotzdem weitermachen! Wir müssen uns Sisyphos als einen
glücklichen Menschen vorstellen“ (Albert Camus)“
Hier feiert die Larmoyanz Feste. Und der Nepotismus, denn es
durfte etwa der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer
von Pilnacek eine spezielle Empfehlung entgegennehmen:
„Lieber Herr LH, Prosit 2021 und viel Erfolg im Vorsitz der
LH-Konferenz; möchte nur informieren, dass Präsident des OLG
Graz ausgeschrieben ist; wäre Gelegenheit, das an unserer
Familie begangene Foul auszugleichen; bitte um Deine
Unterstützung; Caroline wäre wohl eine Wohltat für die
Gerichtsbarkeit in der Grünen Mark; herzliche Grüße; Christian
Pilnacek“.
Schützenhöfer fand bis heute keinen Grund,
solches Verhalten zu tadeln. Er relativiert stattdessen, übt
sich im Schönreden der Verhältnisse, macht eine ganz kleine
Sache daraus: „Auf den Bundeskanzler ist der Landeshauptmann
laut eigenen Angaben sogar stolz – ‚über manche in seinem Umfeld
nicht wirklich‘“. (Ich hab das in „Juni
2021: Ein politisches Sittenbild“ skizziert und dort die
Quellen genannt.)
Pilnacek desavouierte also ausdauernd
eine staatliche Einrichtung, die ja Leute wie ihn kontrollieren
soll, so der Sinn von Gewaltenteilung. Zitat: „wer unternimmt
was gegen diese missratene StA????“ Das meint die
Staatsanwaltschaft. (Die
Quelle dieser Pilnacek-Zitate)
Pilnacek entschuldigt
sich später: „Inhalt der Nachrichten ist unverzeihbar“ Und: „Es
gebe nichts zu beschönigen, schreibt der suspendierte
Sektionschef. Gleichzeitig übt er Kritik am Justizministerium.“
[Quelle]
Publizist Florian Klenk präzisierte am 5.6.21 auf Facebook:
„Es geht doch in den Pilnacek/Bramdstetter Chats nicht um
Rassismus oder Sexismus sondern um das nachhaltige Kaputtmachen
einer Korruptionsbehörde durch zwei Mächtige. Das ist der Grund
warum die Chats öffentlich werden mussten, nicht diese Zoten
über Dritte“.
Tags darauf exponierte sich Landeshauptmann Schützenhöfer
erneut, gab eine Vorstellung in Whataboutism, zeigte also, wie
man über ein unangenehmes Thema schnell ein anderes drüberredet:
„Schützenhöfer schwenkte im ‚Pressestunde‘-Gespräch dann schnell
zu Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) über und kritisierte
Angriffe auf den Regierungschef. ‚Was ist aus diesem Österreich
eigentlich geworden‘, so Schützenhöfer. Es gebe permanent
‚sprachliche Grenzüberschreitungen‘ gegen Kurz, eine Kampagne,
bei der auch der grüne Koalitionspartner mit einstimme. Die ÖVP
habe es schon einmal leichter gehabt, aber ‚wir lassen uns
diesen jungen Kanzler nicht herausschießen‘“. [Quelle]
Es ist eine zynische Zumutung, wenn der Steirer angesichts
der dichten Serie von Malversationen und anderem Fehlverhalten
im ÖVP-Umfeld raushaut: „Was ist aus diesem Österreich
eigentlich geworden“. So hat sich ein Staatsmann nicht zu
verhalten. Angesichts der Fakten, die nun als weitgehend
gesichert gelten, bliebe eigentlich nur a) seine Leute zur
Ordnung zurückzurufen oder b) beschämt zu schweigen.
Der
nun Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid entschuldigte sich inzwischen für
seine Herablassung, diese "War falsch und zynisch" / "Es tut mir
außerordentlich leid, wenn ich damit jemanden verletzt oder
verstört habe". [Quelle]
Jurist Wolfgang Brandstetter hat übrigens nicht mehr länger
zugewartet, um seinen Posten zu räumen, sondern gerade
demissioniert. Und weil grade allerhand Entschuldigungen durchs
Land wehen: Musiker Andreas Gabalier hatte vor Jahren bei der
Verleihung der „Amadeus Austrian Music Awards“ im Wiener
Volkstheater den Lesben und Schwulen des Landes seine
Abschätzigkeit gezeigt und sich in Larmoyanz geübt; nämlich als
einer, der es angeblich schwer habe, „wenn man als Manderl noch
auf Weiberl steht“.
Dieser infantile Tonfall und die
Geringschätzung waren ihm nun ein Stück Zurückrudern wert:
„Gabalier hofft auf ‚Summer of Love‘ und entschuldigt sich“. Das
geht bei ihm so und ist auf Geschwafel gebettet, statt knapp auf
den Punkt zu kommen: „Es gibt keine Schranken - das liegt in der
wundersamen Natur der Liebe. Mensch liebt Mensch und Punkt,
ausnahmslos jede gelebte Liebe macht diese einzige Erde, die wir
uns alle teilen, zu einem besseren Ort, und zwar für uns alle!"
[Quelle]
Wie das kommt? Ich glaub ihm ja kein Wort, wie ich auch den
öffentlichen Entschuldigungen von Pilnacek und Schmid kein
Gewicht beimesse. Ich bin überzeugt, da wird einfach Kreide
gefressen, um die eigene Talfahrt eventuell etwas zu bremsen
oder mindestens mit so einer Pose zu dekorieren.
Und
Gabalier? Was für ein Zufall! „In Sachen ‚Pride Month‘ habe er
jetzt aber alles gesagt.“ Und er hat außerdem gerade eine
Trachten-Kollektion zu promoten, die beim OTTO-Versand angeboten
wird: Startseite.Inspiration.Trachten-Trends.Andreas Gabalier
Kollektion (87) [Quelle]
Ein Schuft, wer nun denkt, daß hier professionell am Klima
gearbeitet wird, um Schönwetter fürs Geschäft zu fördern.
Nebenbei frage ich mich: ist das Rückgrat von Landeshauptmann
Schützenhöfer nun bei „Willhaben“ oder auf „Ebay“ gelandet?
+) Zu Schützenhöher:
Heinz Conrads 2.0 (Eine Rezension) +) Zu Gabalier:
Volkskultur
+)
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