the long distance howl / ncv / seite #51

Teil II: Heinz Conrads 2.0
(Eine Rezension)

Die Pressekonferenz vom 22. März 2021 hab ich im ersten Teil („Die Triage-Frage“) schon erwähnt. In einem Mitschnitt auf Youtube kommt ab Minute 27 der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz zu Wort. Steiermarks Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer. „Ich weiß sehr genau…“ eröffnet er mit banalen Phrasen über Unmut, Zwiespalt in der Gesellschaft etc. Wie und woher weiß er was genau? Wissen wir nicht!

Danach werde ich mit seiner individuellen Befindlichkeitsprosa abgespeist. Ich weiß freilich sehr genau: wer so herumlaviert, hat sich entweder nicht vorbereitet und ist zum Extemporieren zu schwach, oder steht auf dem Schlauch und hat grade nichts zu sagen, was durch solches Geschwafel verborgen werden soll. Dann salbadert „Schützi“ von „irritierenden Zeiten“, in denen es wichtig sei „zusammenzuhalten“.


Aber ja! Das Wasser ist naß, der Papst ist katholisch, bei schönem Wetter ist der Himmel blau! Thanx for nothing! „Wir werden noch einige Zeit durchhalten müssen.“ Ja? Wirklich? Der Mann ist, wie mir scheint, ein Hochleistungsorakel.

Ungefähr bei Minute 28 hat Schützenhöfer die Kühnheit, uns zu erzählen, der Bundeskanzler habe eben berichtet, „daß es auch Perspektiven gibt“. Spätestens durch diese Geschwätzigkeits-Passage mit solcher Null-Nachricht ist mir beim Zuhören der Kragen geplatzt, was den kurzen Ausbruch erklärt, den ich mir auf Facebook erlaubte. (Hier, im Anschluß, der Ordnung halber zitiert.)

Dann folgte Schützenhöfers Bürgerpflicht-Exegese, als hätte ich mich in den Heimatkunde-Unterricht meiner Kindertage verirrt. Der Politiker meint, „wenn der Spuk vorbei ist“, werde man das Virus „zum Teufel gejagt haben“. Metaphernmäßig ungefähr die nächste Stufe nach einer infantilen Babysprache: „Tuuut-Tuuut“ = Lokomotive. „Ticki-Tacki“ = Uhr. „Brumm-Brumm“ = Auto. Waschel-Waschel = Regen. Sakrahaxen = das böse Virus.

Schützenhöfer: „Und wir haben grandiose Mediziner in Österreich.“ Da bin ich aber froh und kann es bestätigen, denn ich kenne einige persönlich. Schützenhöfer hat ihnen „gut zugehört“. Was schert mich das? Offenbar hat er ja, wenn ich nach seiner Rede gehe, nicht viel davon verstanden.

Ich zitiere nun wörtlich, womit der Mann bundesweite Sendezeit verplempert hat: „Und es war mir nach diesem Bericht klar, daß ich das sagen werde, was ich dann gesagt habe.“ (Nach über 40 Jahren als Schriftsteller schwant mir: ich kann mich von einer Brücke schmeißen. Solche Brillanz schaff ich mein Leben nicht mehr.)

Wie ging es weiter? Schützenhöfer: „Was können wie tun? Unablässig testen, testen, testen.“ Wir haben nun schon ein Jahr Pandemie absolviert. Wir befinden uns mitten in der dritten Welle. In Wien hat das Triagieren begonnen und dieser Schwätzer mutet mir so einen Satz zu. Da stand er, hatte nun schon Minuten lang nichts zu sagen, nichts, und nichts und wieder nichts.

Also testentestentesten. „Und nichts vereinbaren, was wir nicht halten können.“ So redet ein Provinzpolitiker zum Muttertag im Altersheim, nachdem die alten Leute mit Gaffer-Tape an ihre Sessel gefesselt wurden und die Kuchenstücke noch außer Reichweite stehen. „Was kömma noch tun? Impfen, wemma halt den Impfstoff bekommen. Alle wollen mehr.“

Okay, das ist dann schon Provinz der Provinz. Er wolle schließlich „den, den wir bekommen, so verteilen, wie das in der Verordnung des Ministers steht“. Wir nennen das einen No-na-net-Satz. Alles andere wäre nämlich eine Verletzung der Dienstpflicht, also mutmaßlich ein Offizialdelikt.

Schützenhöfer beteuerte auch, „…daß wir im Blick aufs Ganze darauf schauen, daß wir gut vorbereitet sind…“ Na, das will ich doch hoffen, sonst wünschte ich, er würde wenigstens ein Jahresgehalt an das Gemeinwesen zurückzahlen. „Schützi“ fuhr fort, dann „…wieder Wachstum zu schaffen. Dann wieder Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern.“

Da wollte mir einer warmes Wasser verkaufen, während ich an meinem Herd steh. Es folgten noch ein paar Phrasen, die heute jeder Lokalpolitiker hinter den sieben Bergen besser hinbekäme. Belanglose Rezepturen, damit „die soziale Ordnung im Lot“ sei. Daß er selbst eben durch seine völlig wertlose Rede ein interessantes Beispiel zur möglichen Bedrohung der sozialen Ordnung geleistet hatte, war ihm augenscheinlich nicht klar.

Ungefähr bei Minute 32:30 hatte er die Stirn zu sagen: „Wir haben jetzt die Menschen auch ganz gut durch die Krise gebracht.“ Da brüllte etwas in mir: „Halt doch die Fresse!“ Wie kann er vor uns stehen und sowas behaupten? Ich verweise hier bloß kurz auf meine kleine „Chronique scandaleuse“, die lediglich einen kursorischen Überblick gibt, was in wenigen Monaten an Stümperei, Lügen und Malversationen von manchen politischen Kräften abgeliefert wurde.

Bei Minute 32:35 höre ich: „Aber dann müssen wir durchstarten.“ Durchstarten. Das titeln unerfahrene „Regionauten“ in der Lokalpresse, wenn ihnen zu einem Vorhaben nichts einfällt. Ich kenne Hausfrauen, die sich im Lebensberatungsgeschäft etwas dazuverdienen, die können das besser. Wir. Müssen. Durchstarten. Sowas kommt aus einem Phrasenkatalog, der nicht einmal mehr in Antiquariaten angeboten wird.

„Wir dürfen nichts tun, was, ich würde es so sagen, das Schicksal herausfordert…“ Und dann hat es mir die Kette ausgehängt, denn sein Schlußwort bei Minute 33:25 lautete: „Aber Sie wissen, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.“

+) Der Vorlauf, Teil I: Die Triage-Frage
+) Die Pressekonferenz auf Youtube
+) Inzidenzen

-- [Wachsende Unruhe] [Origami Ninja Association] --
-- [Chronique scandaleuse] --


core | start | home
12•21


Mein Entgleisung vom Tag der Pressekonferenz


+) Zitat I (Facebook, 23.03.2021): „was - ZUR HÖLLE!!! - fällt einem landeshauptmann (schützenhöfer) eigentlich ein, mir zu dem termin so ein geschwafel zuzumuten (lauter phrasendrescherei!), statt 3 bis 5 minuten lang präzise aussagen zu machen und mir dinge zu sagen, die ich als bürger noch nicht weiß? das ist doch keine muttertagsfeier im altersheim, wo einer sein gesicht wäscht und sich die alten nicht wehren können! so ein auftritt ist WÜRDELOS und frei von intellektueller selbstachtung!“

+) Zitat II (Facebook, 23.03.2021): „ich bedaure diesen kleinen ausbruch FAST. aber unsere spitzenpolitik schwurbelt mich langsam in den WAHNSINN. ich will keinerlei wohlfühlsätze hören, sondern gut aufbereitete FAKTEN, so dargebracht, daß ich sie geschmeidig nachvollziehen kann. wo muß man denn mit dem hammer draufhauen, daß ein landeshauptmann mit dieser dämlich-plüschigen grußkarten-prosa aufhört und möglichst unaufgeregt auf den punkt kommt, ohne acht zehntel seiner redezeit mit gedankenramsch zu vergeuden?“