Ich weiß schon, in manchen Leuten springt
etwas wie politisches Bewußtsein erst dann
an, wenn sie sich in ihren persönlichen
Wünschen eingeschränkt sehen. Lustig!
Demokratie hieß übrigens noch nie, daß zu
geschehen hat, was die Mehrheit verlangt.
Ich finde es skurril, wie mir sowas in
letzter Zeit öfter mit treuherzigem Blick
beteuert wurde. Nein, damit wären wir
letztlich beim Terror einer Revolution
angelangt, wo ein überwältigender Mob seinen
Tribunen folgt und alles flach macht.
Wer eine Wahl durch das Erringen der
meisten Stimmen gewinnt, hat damit erst
einmal nur die stärkste
Verhandlungsposition, um dann mit der
Konkurrenz zu klären, was geschehen
soll. Dieser feine Unterschied wurde mir
dieser Tage öfter unterschlagen. (Den
doofen Euphemismus „Mitbewerber“ lehne
ich ab!)
Was stand zur
Disposition?Heißt es etwa
„Bundeskanzlerwahl“? Nein, es heißt
„Nationalratswahl“. Daraus ergibt sich
die Verteilung der Parlamentssitze und
es kann darum gerungen werden, welche
Fraktion das Kanzleramt besetzen darf.
Genau das legt der Wahlausgang nämlich
nicht fest.
Wer mir beteuert, der
„Wählerwille“ sei ein Regierungsauftrag
mit Kanzlerbonus, redet Mumpitz, beugt
das, was Demokratie sein soll. Die
Ergebnisse der Nationalratswahl besagen
nur, mit welcher Kraft Fraktionen in die
kommende Demokratiearbeit gehen dürfen.
Die anderen Mutmaßungen halte ich für
Privatmythologien und Propaganda.
.
Reglement statt Faustrecht. Und
Kontrolle durch Gewaltenteilung.
Man kann sich ja wünschen, was man
will, aber den Modus der
Regierungsbildung können Sie auf der
Parlaments-Website nachlesen: [
Link]
Da heißt es etwa:
„Bei der
Regierungsbildung selbst hat das
Parlament grundsätzlich kein
Mitspracherecht.“ (Das ist also
Parteienangelegenheit.)
Ein
bedeutenderes Detail:
„Nicht in
der Verfassung festgelegt, sondern
gelebte Praxis ist, dass der bzw.
die Bundespräsident:in einen Auftrag
zur Regierungsbildung erteilt.“
Und:
„Das B-VG enthält keine
Vorgaben, wie die Regierungsbildung
stattzufinden hat.“
Die
Ernennung und die Angelobung der
Mitglieder der Bundesregierung und
der Staatssekretär:innen obliegt
freilich dem Bundespräsidenten.
Ebenso deren allfällige Entlassung
und Enthebung. [
Quelle]
Falls Ihnen das mißfällt, werden Sie
politisch aktiv und setzen Sie sich
für eine Gesetzesänderung ein!
Wo steht diese Debatte
aktuell in Österreich?
Aber verschonen Sie mich bitte mit
dem Gezänk und Geplärre, was der
„Wählerwille“ angeblich ausdrückt.
Wie eingangs erwähnt, die
Wahlergebnisse verleihen den
Fraktionen unterschiedlich starke
Verhandlungspositionen. Dann wird um
Konsens gerungen, wer mit wem welche
Position erreicht, um damit vor den
Bundespräsidenten zu treten.
Der kann übrigens nach den ersten
sechs Jahren Amtszeit nur einmal
wiedergewählt werden. Alexander Van
der Bellen befindet sich seit Jänner
2023 schon in seiner zweiten
Amtszeit. [
Fortsetzung]
+)
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