2. Oktober 2024

Demokratie und Gezänk


[Vorlauf] Ich hab in letzter Zeit allerhand erfrischende Anregungen erhalten, was genau Demokratie sei und was nicht. Sie kann ja letztlich – abgesehen von bestehenden Rechtsnormen - nur das sein, was die Bevölkerung eines Landes stets neu dafür hält. Also müssen wir im Gespräch bleiben. Damit will ich sagen, daß es nur dynamisch bleiben kann, aber bitte ohne Faustrecht!

Wer derzeit etwa unserem Bundespräsidenten geltendes Recht absprechen möchte, sollte sich zuerst um eine Verfassungsänderung bemühen oder sich offen dem Lager der Tyrannei zurechnen. Was der Präsident in Fragen der Regierungsbildung darf, stützt sich auf verbrieftes Recht. (Daran kann zum Glück so im Vorbeigehen nicht gerüttelt werden.)



Was Demokratie sei, muß stets neu geklärt werden.

Ich weiß schon, in manchen Leuten springt etwas wie politisches Bewußtsein erst dann an, wenn sie sich in ihren persönlichen Wünschen eingeschränkt sehen. Lustig! Demokratie hieß übrigens noch nie, daß zu geschehen hat, was die Mehrheit verlangt.

Ich finde es skurril, wie mir sowas in letzter Zeit öfter mit treuherzigem Blick beteuert wurde. Nein, damit wären wir letztlich beim Terror einer Revolution angelangt, wo ein überwältigender Mob seinen Tribunen folgt und alles flach macht.



Krachend umgefallen? Aufstehen, Krönchen richten...

Wer eine Wahl durch das Erringen der meisten Stimmen gewinnt, hat damit erst einmal nur die stärkste Verhandlungsposition, um dann mit der Konkurrenz zu klären, was geschehen soll. Dieser feine Unterschied wurde mir dieser Tage öfter unterschlagen. (Den doofen Euphemismus „Mitbewerber“ lehne ich ab!)

Was stand zur Disposition?
Heißt es etwa „Bundeskanzlerwahl“? Nein, es heißt „Nationalratswahl“. Daraus ergibt sich die Verteilung der Parlamentssitze und es kann darum gerungen werden, welche Fraktion das Kanzleramt besetzen darf. Genau das legt der Wahlausgang nämlich nicht fest.

Wer mir beteuert, der „Wählerwille“ sei ein Regierungsauftrag mit Kanzlerbonus, redet Mumpitz, beugt das, was Demokratie sein soll. Die Ergebnisse der Nationalratswahl besagen nur, mit welcher Kraft Fraktionen in die kommende Demokratiearbeit gehen dürfen. Die anderen Mutmaßungen halte ich für Privatmythologien und Propaganda.

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Reglement statt Faustrecht. Und Kontrolle durch Gewaltenteilung.

Man kann sich ja wünschen, was man will, aber den Modus der Regierungsbildung können Sie auf der Parlaments-Website nachlesen: [Link] Da heißt es etwa: „Bei der Regierungsbildung selbst hat das Parlament grundsätzlich kein Mitspracherecht.“ (Das ist also Parteienangelegenheit.)

Ein bedeutenderes Detail: „Nicht in der Verfassung festgelegt, sondern gelebte Praxis ist, dass der bzw. die Bundespräsident:in einen Auftrag zur Regierungsbildung erteilt.“ Und: „Das B-VG enthält keine Vorgaben, wie die Regierungsbildung stattzufinden hat.“

Die Ernennung und die Angelobung der Mitglieder der Bundesregierung und der Staatssekretär:innen obliegt freilich dem Bundespräsidenten. Ebenso deren allfällige Entlassung und Enthebung. [Quelle] Falls Ihnen das mißfällt, werden Sie politisch aktiv und setzen Sie sich für eine Gesetzesänderung ein!



Wo steht diese Debatte aktuell in Österreich?

Aber verschonen Sie mich bitte mit dem Gezänk und Geplärre, was der „Wählerwille“ angeblich ausdrückt. Wie eingangs erwähnt, die Wahlergebnisse verleihen den Fraktionen unterschiedlich starke Verhandlungspositionen. Dann wird um Konsens gerungen, wer mit wem welche Position erreicht, um damit vor den Bundespräsidenten zu treten.

Der kann übrigens nach den ersten sechs Jahren Amtszeit nur einmal wiedergewählt werden. Alexander Van der Bellen befindet sich seit Jänner 2023 schon in seiner zweiten Amtszeit. [Fortsetzung]

+) Rechtsruck (Die Kolume)


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