14. September 2024

Das erweiterte Buch


[Vorlauf] Am Ausgangspunkt für das Vorhaben war für uns klar: Ein Autor und ein Fotograf im Dialog. Naturlyrik auf der Höhe der Zeit. Fotografie mit grafischer Gewichtung. Im ersten Arbeitsabschnitt auf dem Weg zum Buch entschieden wir: 50 Stationen, als Tableaus gestaltet, einige davon um Prosa-Miniaturen ergänzt. Das gesamte Ensemble wie eine Wanderung, die zu erkunden ist.

Mit dem konzeptionellen Teil „Das erweiterte Buch“ habe ich auf ein Stück meiner Vergangenheit in der Kulturarbeit zurückgegriffen. Ich bin einer der frühen Akteure österreichischer Netzkultur, war aber nicht bereit, das der Überschrift „Netzkunst“ zuzuordnen. Ich will das mit Trennschärfe sehen.


Das Transzendente der Kunst möge in den Gedichten und Fotografien gefaßt sein, näher kommen wir an den Gehalt von Transzendenz nicht heran. Was da möglich ist, finde ich in einer Überzeugung von Maler Markus Lüpertz. Demnach ist die künstlerische Arbeit ein Ringen um Qualität und Vollendung. (Das Erreichen bleibt im Ungewissen.) Das sind Belange, die sich nicht einem bestimmten Medium wie dem Internet unterordnen lassen.

In meinem Fall also keine „Netzkunst“, sondern Kulturarbeit, bei der das Netz der Netze genutzt wird, um der Kunst eine bestimmte mediale Situation zu bieten. Genau da setzt nun die Konzeption des erweiterten Buches an. Der Begriff macht schon deutlich: das Werk aus der Gutenberg-Galaxis ist unser Angelpunkt, die Erweiterung ist erst einmal eine Verzweigung ins Web. (Dem Buch eine DVD beizulegen wäre eine unzureichende Lösung.)


Dieses mein „kühles Extrazimmer Internet“ ist als digitaler Raum ein „Nicht-Ort“ und das Digitalisieren bedeutet gewissermaßen ein Übergeben von etwas in eine „Nicht-Existenz“. Ich werde in dem Zusammenhang gelegentlich noch auf die Annahmen und Schlußfolgerungen von Philosophin Elisabeth List eingehen. Sie hat 2001 in ihrem Buch „Die Grenzen der Verfügbarkeit“ (Die Technik, das Subjekt und das Lebendige) wichtige Anregungen zu solchen Fragen vorgelegt.

Mein Vorhaben zur Erweiterung des herkömmlichen Buches, einem Medium, das ich für unverzichtbar halte, führt also erst einmal ins Web. Ich mag jene Möglichkeiten nutzen, die uns Telekommunikation, Teleworking und Telepräsenz bieten. Von dort geht es aber zurück in den Raum realer sozialer Begegnungen, denn in leiblicher Anwesenheit ereignet sich unser Leben primär.

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Wir haben gute Gründe, Verhältnisse zu meiden, wie sie schon Platon in seinem Höhlengleichnis skizziert hat. Nach ihm hat Aristoteles einerseits zwischen Virtualität und Aktualität unterschieden, andrerseits die Überzeugung notiert, der Mensch sei ein Zoon politicon. Das meint ein Wesen, welches zum Leben in Gemeinschaft neigt.

In einem Wechselspiel von Aktivitäten, welche im Realraum und im Web stattfinden, sind wir heute schon aktiv. Das ist von uns an der Konvergenzzone im Archipel festgemacht. (Ich meine das „Archipel – Forum für Kunst und Kultur“.)


Ich halte leibliche Anwesenheit für eine politische Kategorie in jenem ursprünglichen Sinn (Zoon politicon). Sie ist es aber auch bezüglich der Möglichkeiten von Wissenserwerb und kritischen Diskursen. Denn was wir heute Politik nennen, ist keinesfalls bloß das, was funktionstragende Kräfte an Politischem tun. Das wäre der Bereich Staatskunst, dem jener des Gemeinwesens gegenübersteht; mit dem, was wir Zivilgesellschaft nennen. Erst ein Wechselspiel zwischen diesen beiden Sphären ergibt das, was man Politik nennen kann.

Kunst ist kein Werkzeug solcher Zusammenhänge, sondern steht – ähnlich der Grundlagenforschung – für sich. Sie bietet aber Wahrnehmungserfahrungen und Kompetenzgewinne, die man für die eigene Rolle innerhalb des Gemeinwesens nutzen kann. [Fortsetzung]

+) Die Präsentation des Buches
+) Die Konvergenzzone (Archipel)
+) Netzkultur


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