13. September 2024

Der Tag des Gutenberg


So ein Abstecher nach Graz, denn die Spedition hatte früher geliefert als die Sendung avisiert gewesen ist. Da standen dann Paletten mit Kartons voller Bücher im hinteren Zugangsbereich des Verlagssitzes der Edition Keiper. Dieser vielschichtige Prozeß, von dem ich nicht mehr weiß, wann er begonnen hat, ist nun in einem realen Buch erst einmal eingelöst.

Daß ich es ein „erweitertes Buch“ genannt habe, liegt an einem konzeptuellen Ansatz, welcher jetzt nächste Arbeitsprozesse ergibt. Eine Mischung aus Narrativ und anschließendem Prozeß führt erst einmal in den digitalen Raum, führt in einen „Nicht-Ort“. Die „Matrix“. Genau! Man kennt den Film. Das Sujet stammt, wie auch der Begriff selbst, aus der Literatur.



Eine der angelieferten Paletten: handliche Elemente.

Das Genre wurde „Cyberpunk“ genannt. Eine reale Umsetzung hatte sich in meinem Handlungsraum als sogenannte Netzkultur entfaltet. Da verweise ich auf die späten 1980er. Das Internet gab es damals bei uns für uns noch nicht. Kein WWW und ähnliche Dienste, sondern Bulletin Board Systems. (Wir sagten dazu „Mailboxes“.)

Ich gehe mit meinem Vorhaben, anschließend ein „erweitertes Buch“ zu realisieren, in eine nächste Vorstellung von Netzkultur. Das Druckwerk aus der Gutenberg-Galaxis ist der Angelpunkt. Über QR-Codes führen Wege ins Web. Was sich dort entfaltet, wird in den Raum realer sozialer Begegnungen zurückgeführt. Aber jetzt erst einmal das gedruckte Buch.



Fotrograf Richard Mayr und Verlegerin Anita Keiper.

Diese eigentümliche Magie, wenn eine Arbeit, die so viele Monate in Anspruch genommen hat, auf den Punkt kommt. Für mich führt das unweigerlich in gemischte Gefühle, die ich nicht von einander lösen kann.

Da ist freilich ein Hauch von Euphorie, weil mich eine gelungene Arbeit freut, mich außerdem in ein anderes Licht stellt. Und ich weiß, daß wir gute Arbeit geliefert haben. Zugleich ist mir mein eigener Teil der Arbeit dadurch entfremdet. Es ist eine zu starke Diskrepanz zwischen den Prozessen des Werdens und dem Ergebnis, das daraus entstand. Das sind so unglaublich verschiedene Zustände.



Damit sind meine Gedichte an eine andere Instanz übergeben.

Das Ergebnis kann sich nicht mit der Summe der komplexen Prozesse des Werdens messen. Es bedeutet auch, ich bin dabei auf diese nächste Nische angewiesen, auf die Reaktionen eines Publikums. Das ist ein weiteres Erleben, eine völlig andere Situation. Die hat kurz Gewicht.

Darüber hinaus beschäftigen mich längst die neue Aufgaben. Um es im Sinn des serbischen Künstlers Selman Trtovac zu sagen: Man wählt ein Thema. Man entscheidet sich für eine Aufgabenstellung, die man mit künstlerischen Mitteln bearbeitet. Nichts anderes. Nicht „Kunst, um zu...“ oder eine „Intervention“.

Sie ahnen nun vielleicht, ich glaube nicht an „engagierte Kunst“. Die halte ich für eine Tendenz zu Ausflüchten. Es ist ja klar, daß die meisten Werke auch Inhalte haben. Es ist ja klar, daß mit den meisten Werken auch Themen verbunden sind. Aber meine künstlerische Arbeit ist keiner anderen Aufgabe gewidmet, als dieser: relevante Kunstwerke hervorzubringen.



Produktionsleiter Robert Fimbinger (links) und Fotograf Richard Mayr.

Was ich darüber hinaus und möglichst mit erworbenen Kompetenzen, die ich teils künstlerischer Arbeit verdanke, als Mitmensch, als Bürger, als politisch anwesender Mensch tue, ist nicht als Kunstwerk intendiert. Daher fällt es nicht unter Kunst.

Es mag freilich sein, daß etwas davon später - im Sinne der Kunst - valorisiert wird, somit in die Archive der Kultur wandert und als Kunstwerk gedeutet wird. Darin stimme ich mit dem Kunsttheoretiker Boris Groys überein.

Aber, um es deutlich zu sagen, was schert mich das? Damit habe ich dann nichts zu tun. Ich bin mit anderen Dingen befaßt. Und wie es Jimi Hendrix formuliert hat: „Scuse me, while I kiss the sky!“ [Fortsetzung]

+) Die Präsentation des Buches
+) Netzkultur

[Kalender] [Reset]