20. Juni 2024
So also Sommer! II
[Vorlauf] Der
Sommer beginnt amtlich am 21. Juni, also heute, und endet am
21. September. Die Hitze kam also zeitgerecht. Heute haben
wir einen sehr langen Tag, um in die Sommersonnenwende zu
gehen. Die Vernunft gebietet bei solcher Wetterlage sehr
kalte Getränke zu meiden. Es heißt, da ginge einige Energie
drauf, sie im Leib auf Körpertemperatur zu bringen. Kraft,
die man anders besser nutzen könnte.
Meine Vernunft
sagt, daß der Genuß eines gut gekühlten Biers mir den
Kraftaufwand wert ist. Natürlich wird geraten, Alkohol zu
meiden, ungesüßter Tee sei vorzuziehen. Da lächelt meine
Campari-Flasche nachts.
Ich bleibe freilich in nobler Distanz zu
jener trunkenen Pose eines Bohemiens, der
Gedichte schreibt und sein Bürgertum
verschreckt. Das wäre ein langweiliges
Gehabe. Außerdem haben längst allerhand
Spießbürger das Fach besetzt, inszenieren
sich a la Boheme und fühlen sich in solchen
Posen als recht verflixte Wesen, die
ihrem Karma ab und zu zeigen, wo das
Hämmerchen hängt. Ich bevorzuge die
Rollen-Variante des unaufgeregten
Professionals. Dazu hab ich in einem Essay
von Jun'inchiro Tanizaki eben ein Motiv
gefunden, das mir sehr zusagt. In „Lob der
Meisterschaft“ betont er, man könne – in
einer alten Auffassung - sein Interesse auf
zweierlei Aspekte richten, einerseits das
Werk und andrerseits die Meisterschaft.
(Hier also das Opus und da die Person mit
ihren Kompetenzen.)
Das japanische Wort „gei“ steht für
Meisterschaft im Sinn einer durch langes
Üben erworbenen Fertigkeit. Das
japanische Wort für Künstler lautet
„geijutsuka“. Es steht zwar mit „gei“ im
Zusammenhang. In einer zeitgenössischen
Deutung des Wortes Kunst ist die
Meisterschaft in der Art von „gei“ aber
keine Bedingung. Die Künste, „geijutsu“,
sind heute nicht mehr an bestimmte
Fertigkeiten gebunden. Die
meisterliche Gewandtheit („gei no
takumi“) ist demnach nur eine Option
unter mehreren, wenn man in der Kunst
lebt. Ich neige zu dieser eher
antiquierten Position. Das bedeutet in
meinem Fall, daß ich fast nur meine
Arbeit als Lyriker im Sinne von Kunst
deute.
Freilich wäre es ohne weiteres möglich,
mein übriges Engagement als eine Form
der Konzeptkunst zu deuten, wie sie im
Steirischen ganz gerne unter der Flagge
„Intervention“ ausgerufen wird. Oft
völlig beliebig, manchmal auch, um
schlichte Sozialarbeit als Kunst oder
„künstlerische Intervention“ zu
schminken. (Das ist nicht nach meinem
Geschmack.) Ich muß dazu erst
einmal an den Dingen arbeiten, und dann,
nach wenigstens zehn Jahren,
zurückblicken, um das sortieren zu
können. Jegliche Pose vor Publikum und
anderen Kunstschaffenden ist dabei
völlig bedeutungslos. Ich geh dem
aktuell im Teilprojekt „Official
Bootleg“ nach. Wir haben da einigen
Klärungsbedarf.
Micha Lanners Spider.
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