Was immer von uns ausgehen mag, würde ja
einer Klärung bedürfen: Wofür fühle ich mich
selbst nicht nur zuständig, sondern auch
verantwortlich? Was fällt mir ein, um den
überlieferten Untertan in mir zur Bürgerin,
zum Bürger zu machen? Was verlangt das
konkret?
Ich beschränke meinen Befund
auf das Kulturvölkchen, denn da kenne ich
mich aus. Steiermarkweit sehe ich zahlreiche
Kulturinitiativen, die sich als „autonom“,
wahlweise „frei“ hervortun, strukturell aber
staatsnahe Betriebe sind, wo gut gelauscht
wird, was Politik und Verwaltung
vorschlagen.
Steiermarkweit sehe ich,
daß inhaltliche Arbeit bezüglich der
Kulturpolitik auffallend oft
Verwaltungskräften überlassen wird. Und zwar
von beiden Seiten her, von politisch
Funktionstragenden und von primären Kräften.
Was meint „primären Kräfte“? All jene,
von denen Werke bereitet werden, von denen
der Content kommt, auf den sich Markt,
Politik und Verwaltung beziehen. Dieses
Metier wird teilweise gerne als „Szene“
dargestellt. Dazu erschien vor einer Weile
das Schlußpapier einer Reihe von
Konferenzen, wobei „Heidrun Primas & Werner
Schrempf“ als externe Berater:innen der
Kulturabteilung des Landes genannt werden:
„Kulturstrategie 2030“.
Erleuchtung kommt durch kohärente
Arbeit in Kontinuität.
(Der Rest ist
Esoterik.)
Da heißt es (Zitat): „Der Unterschied zu
anderen, früheren Prozessen ist, dass in
Summe rund 600 Akteur:innen aus
'Volkskultur', 'Hochkultur' und 'freier
Szene' miteinander diskutiert und ihr
Wissen zur Verfügung gestellt haben.
Quantitativ ein Meilenstein. Qualitativ
erst recht.“
Das Begriffs-Trio
„Volkskultur, Hochkultur und freie
Szene“ kommt dann mehrfach vor, was mich
zum Schluß bringt, daß in meinem Milieu
über 40 Jahre Fachdiskurs fehlen, denn
mit diesem malerischen Wort-Triptychon
kann der Status quo nicht treffend
beschrieben werden, die nahe Zukunft
schon gar nicht.
Aber wir sind ja
das Volk. Politik und Verwaltung werden
das schon angemessen beachten. Oder auch
nicht. Fußnötchen: In Gleisdorf wird ein
Pakt Kulturschaffender vom Büro für
Kultur und Marketing verwaltet. Das ist
auch nicht gerade ein Signal politischer
Reife.
Die "Kulturstrategie 2030" läßt
mich ratlos.
Gleisdorfs Bürgermeister Christoph
Stark, der auch dem Nationalrat
angehört, postete gestern auf Facebook:
„Nun sind alle Stimmen der
Europawahl ausgezählt. Es ist
unbestritten, dass wir einen
beachtlichen Rechtsruck erlebt haben,
der keineswegs überraschend war.“
Ergo? Stark:
„Wir liegen mit einem
Abstand von 0,85% hinter der FPÖ auf
Platz 2 und sind nahe unserem Ergebnis
der EU-Wahl von 2014.“ Gab es je
eine Wahl, nach der die ÖVP in der
Steiermark hinter der FPÖ gelegen hat?
Ich denke, das ist eine neue Erfahrung.
[
Fortsetzung]