9. Juni 2024

Ich hatte die Wahl I


[Vorlauf] Mit dem Stichwort „Elefantenrunde Österreich“ konnte ich im Web mühelos allerhand finden. Eine leichte Übung. Ich war nicht rasend überrascht, daß auch die Spitzenleute unserer Bundespolitik teilweise jenen miserablen Manieren zeigen, von denen ich via Social Media eigentlich schon genug hatte.

All dieses Gezänk, wie man einander ins Wort fällt, wie man sich nicht darauf konzentrieren mag, die eigenen Vorhaben zu referieren, sondern eine plumpe Art von Selbstdefinition durch Feindmarkierung pflegt. Unprofessionell und so, als hätte die Pubertät nicht geendet. In der Art zeigen sich mir manche der Spitzenkräfte in jenen Situationen.



Selbstverständlich ernten wir, was wir säen,
beziehungsweise zulassen. [Quelle ORF]

Nehme ich zur Kenntnis. Bildet ab, was ich auch aus dem Alltag von manchen Momenten kenne. Dieses großmäulige Gehabe, hinter dem oft schreiender Kompetenzmangel in diesem und jenem Bereich verbogen wird. In solchem Sinn hat die repräsentative Demokratie ihre Ordnung.

Ich konnte heute, auf dem Weg zum Wahllokal, auch die eine und andere Kanaille aus meinem Milieu vorbeihuschen sehen. Wackelige Krawall-Persönchen, die zwar stets die Klappe weit offen haben, aber es kommen allerweil keine Ergebnisse. Letztlich eine Wasserträgerei für die Tyrannei.

Dabei hab ich erst kürzlich wieder hören müssen, daß etwa meine Kolumne über den Rechtsruck im steirischen Kulturbetrieb eine Zumutung sei und – so hörte ich jüngst: „Das nehmen die manche Leute sehr übel.“ Na klar! Was sonst? Kritischer Diskurs? Womöglich als öffentlicher Diskurs? Dissens ertragen, womöglich sogar als Qualität akzeptieren, weil eine pluralistische Gesellschaft gar nicht anders, nämlich ohne Dissens, existieren könnte.



Was ich "mein Milieu" nenne, hat Bernard Anfang der 1980er treffend beschrieben.

Ich mag dieses Bonmot sehr: Intelligenz ist die Fähigkeit, über zwei einander widersprechenden Ansichten nicht den Verstand zu verlieren.

Ist mein Milieu dafür in irgendeiner Weise exemplarisch? Eher nicht. Ich hab dieser Tage in einer Studie des Semiotikers Jeff Bernard nachgesehen. Philosoph Gerald Raunig nannte ihn „organischer Intellektueller“. [Quelle] Beide, Bernard und Raunig, sind in meiner Sicht der Dinge wesentliche Intellektuelle, die sehr genau analysiert haben, wie sich das entwickelt hat, was ich „mein Milieu“ nenne.

Bernard hat in „Strukturen autonomer Kulturarbeit in Österreich“ nicht bloß wichtige Begriffsbestimmungen vorgenommen, sondern sehr wesentlich jene Phase beschrieben, die ich eine „Gründerzeit der Szene“ nennen.



Gerald Raunig war Ende der 1990er unmißverständlich.

Jene Entwicklungen, in die ich als junger Kerl hineingewachsen bin, als Leute, die etwa ein Jahrzehnt älter sind als ich, das schon erprobten, was bis heute mein bevorzugter Modus der Wissens- und Kulturarbeit ist.

All das betrifft ganz wesentlich die erste Hälfte der 1980er Jahre. (Ich war in der zweiten Hälfte der 1970er losgezogen.) Diese Bernard'sche Arbeit hilft mir derzeit, genauer zu sehen, was in meinem Milieu inzwischen alles aufgegeben wurde, um sich mit bestehenden Verhältnissen zu arrangieren.

Ich beklage das nicht einmal. So geht eben Demokratie. Wir haben die Freiheit, diese oder jene Modi, diese oder jene Strategien zu bevorzugen. (Da schließt die Option der Heuchlei ein.) [Fortsetzung]

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