Im November 2005 wußte Fechtmeister Hace
Strache einen „echten Wiener“ als jemanden
hervorzuheben,
Anno 2008 war die FPÖ
anläßlich einer Nationalratswahl mit diesem
Sujet immer noch beschäftigt. Zitat:
Ich fand es damals
amüsant, daß man für diesen
Propaganda-Feldzug das Kulturkonzept eines
arabischen Aristokraten vor sich her trug;
wenigstens per Schlagwort. Hätte man die
eigene kulturpolitisch Kompetenz ärmlicher
und erbärmlicher demonstrieren können?
Im Jahr 1998 war bei Bertelsmann
erstmals „Europa ohne Identität? Die Krise
der multikulturellen Gesellschaft.“ von
Bassam Tibi erschienen. Meine „aktualisierte
Taschenbuchausgabe“ von 2002 hat einen
geänderten Untertitel: „Europa ohne
Identität? Leitkultur oder
Wertebeliebigkeit?“.
Ich halte diese Entweder-Oder für sehr
polemisch und irreführend. Es klingt
nämlich, als könnte Europa nur zwischen
diesen zwei Optionen wählen, was ich für
Unfug halte. Tibi hatte 1995 schon
Flagge gezeigt. Das Buch hieß: „Krieg
der Zivilisationen. Politik und Religion
zwischen Vernunft und Fundamentalismus.“
Mit diesem Thema machte 1996 Samuel
P. Huntington weltweit Furore. Sein Buch
trug den Titel: „The Clash of
Civilizations and the Remaking of World
Order.“ (Sie werden kaum überrascht sei,
daß mir die Konzepte der beiden Männer
nicht zusagen.)
Als Huntingtons
Buch 1998 in deutscher Sprache erschien,
hieß es plötzlich: „Kampf der Kulturen.
Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21.
Jahrhundert.“ Sehen Sie das Problem? Da
wird der Begriff Kultur völlig
korrumpiert, denn was „die Kultur“ sei
und wie sie begrifflich von „die
Zivilisation“ unterscheidbar wäre, wurde
in meinem Milieu bis heute nicht
debattiert.
Wenn die Begriffe nichts
taugen, ist die Botschaft nutzlos.
Ich halte in diesem Zusammenhang
auch den Begriff „multikulti“ für
Mumpitz. Wie das kommt? Ich bin
Österreicher und ich bin Europäer. Mein
Europa ist nicht „multikulturell“
sondern multiethnisch. Und das schon
sehr lange. Wir haben eine Kultur, in
der es viele Ethnien gibt, die für
regionale und manchmal sogar lokale
Varianten innerhalb der Kultur sorgen.
Das ist die Grundsituation in
mindestens einem rund halben Jahrtausend
habsburgischer Herrschaft. (Sowas sollte
gerade den Leitkultur-ÖVPlern eigentlich
geläufig sein!) Ich rufe Kaiser Karl V.
als meinen Zeugen auf, dem von
Zeitgenossen attestiert wurde, er
herrsche über ein Reich,
„in dem die
Sonne nie untergeht“. (Für die
alten Monarchen war das Multiethnische
Normalität.)
Selbst 1914, als
Franz Josef I. daran ging, das Haus
Habsburg zu versenken, war Österreich
noch ein multiethnisches Imperium. Heute
ist es ein multiethnischer
Nationalstaat, dessen Kultur erstens von
der Landesgeschichte und zweitens von
den ansässigen Ethnien geprägt ist. Das
überdies in einer umfassend
globalisierten Welt. In solchen
Verhältnissen einem Zwergstaat seine
eigene und genuin „österreichische
Kultur“ andichten zu wollen, ist eine
ziemlich drollige Vorstellung.
+)
Kulturpolitik