22. September 2008

Eine der genialsten und elegantesten Sequenzen in Sergo Leones „Once Upon a Time in the West“: Henry Fonda schreitet fast tänzelnd nach links, plötzlich schiebt sich in einem anderen Tempo von rechts Charles Bronson ins Bild. Vergleichbar der Sequenz mit der Eisenbahn in Ang Lees „Ice Strom“, die ich kürzlich beschrieben habe. Fonda macht seine Strecke wie ein Balettmeister, Bronson ist dagegen ganz Mistah Joe Cool, hängt wie ein nasses Handtuch in der Gegend herum. Dann fliegen die Kugeln, durch die ein lang gepflegtes Rachebedürfnis seine Erfüllung findet.

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Erzählt das eigentlich von realen Männern oder ist es deren Inspiration? Ich lese etwa, daß authentische Mafiosi sich, begeistert und angeregt von Brian De Palmas Film, nach Al Pacinos Attitüden in „Scarface“ geben, kleiden, zuhause einrichten. Tun unbedeutendere Leute wie ich das auch? (In welcher Pose bin ich nachts auf meiner kreuzbiederen Puch DS 50, dem blauen „Schürzen-Moped“, einst nach Hause gefahren, als ich im Kino das erste Mal „Easy Rider“ gesehen habe?)

Attitüden. Inszenierungen. Mediengestützte Realitätskonstruktion. Es kann vermutlich gar nicht überschätzt werden, welche Einflüsse mediale Major Companies und Medienagenturen auf unser aller Leben nehmen und wie sie am Generieren gesellschaftlicher Realität arbeiten.

Ich habe vor einigen Tagen ein Insert mit dem vaterländischen Jörg Haider gezeigt (Siehe den Eintrag vom 19. September 2008!), der da unter anderem meinte:

>>Österreich den Österreichern, indem wir unsere Werte, Leitkultur und Tradition vor schleichender Islamisierung retten.<<

Den Begriff "Leitkultur" hat er sich vom Moslem Bassam Tibi geholt. Aber was genau meint Haider denn mit „unsere Leitkultur“? Das sagt er nicht und weiß er natürlich auch nicht. Es gibt definitiv keine „österreichische Leitkultur“. Was Bassam Tibi als Idee einer „Leitkultur“ in den Diskurs wirft, ist genau das, nämlich eine Idee, eine Theorie, keine "soziokulturelle Faktenlage".

Was Haider mit unseren „Werten“ und „Traditionen“ meinen mag, muß Gegenstand von Spekulation bleiben, weil ich außer diesem Schlagwort-Karaoke nichts erfahre. Der Vaterländische als „Sandstreuer“. (Sie erinnern sich? Ich schrieb: „keineswegs der einzige Spitzenpolitiker, der den Menschen in dieser Sache Sand in die Augen streut ... um das Wort lügen zu vermeiden.“) Diese Nabelschau finde ich ganz stark im laufenden Wahlkampf.

Dabei hat uns die Welt doch gerade einige sehr relevante Stichworte zugeworfen. Der „Kaukasuskonflikt“ und Georgiens provokantes Vorgehen gegen Rußland, das so brutal beantwortet wurde, hat uns darauf hingewiesen, daß Rußland unter enormem Druck steht. Weit mehr als durch die Nato, so heißt es, durch den wachsenden Islamisierung im Kaukasus ... das ist Islamisierung, nicht wovon Haider plaudert. Und durch China, das nicht nur als Wirtschaftsmacht wächst und wächst, sondern auch Einwanderungswellen nach Rußland entläßt. Ein anderes brisantes Stichwort hat "Die Presse" vergangene Woche so auf die Titelseite gebracht:

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Wieso eigentlich „die Supermacht im Niedergang“? Das klingt nach „Shootout“ wie die Sequenz aus dem Film Sergio Leones, die ich eingangs skizziert habe. Es könnte ja auch heißen „Supermacht in Transformation“. Weil vielleicht diese Welt längst keine solche Art der „Supermacht“ mehr braucht, die alles zu dominieren sucht. Noch dazu im Namen von Demokratie und Freiheit, um sich selbst bei Bedarf von den Regeln internationalen Rechts stets zu suspendieren.

Beispiele: Weder das Bombardement Serbiens, noch der Einmarsch im Irak waren völkerrechtlich gedeckt. Geheime Folterlager rund um die Welt oder ein Hohn jeder Gerichtsbarkeit, wie Guantanamo, lassen uns auch annehmen: Diese Art Supermacht möge sich ändern, transfomieren.

P.S.:
Inzwischen heißt es, an der Wall Street ginge die Ära der Invenstmentbanken zu Ende. Das ist womöglich eine sehr gute Nachricht.

[Wir Kinder des Kalten Krieges]


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