18. Juni 2022

Schneesturm und Gin Tonic

[Vorlauf] Also weiter: Geschichtsbetrachtung, Kunstpraxis, aktuelle Zusammenhänge und Fragen, welche Arten der persönlichen Verstrickung sich daraus ergeben. Ich bin vor allem einmal von Strömen des symbolischen Denkens bewegt. Das ist ein Kernereignis künstlerischer Praxis. (Es hat Aspekte einer heftigen Assoziationsmaschinerie.)

Dabei übe ich mich in der Annäherung an Wahrnehmungsbereiche, die man auch durch Rauschmittel aufschließen könnte. Bloß würde ich in einem berauschten Zustand einerseits nicht brauchbar arbeiten können, andrerseits auf langen Wegen durch die Jahre gesundheitlich kaputtgehen.


Ich bin also vorzugsweise ein Forscher in Nüchternheit, wenn es um das Erkunden solcher Terrains geht. Unsere Körper haben ohnehin von Natur aus einen reichen Vorrat an Substanzen, die sehr viel an unserer Wahrnehmung bewirken, um uns aus Alltagszuständen herauszubringen.

Assoziationsketten, Deutungsgewitter, Erfahrung in der Anwendung künstlerischer Mittel und ein Ringen um Virtuosität durch permanente Praxis über Jahre. Das sind Möglichkeiten, die ich als Künstler für meine Arbeit einsetze.

Bleibt das große Spiel der Themenwahl, geeigneter Entscheidungen für Sujets, für Diskurse, für Darstellungsmöglichkeiten. Da kommt ins Spiel, was mich als politisch anwesenden Bürger ausmacht. Außerdem zählt, was mich als Privatperson biographisch bewegt hat.

Es kommt zur Wirkung, was sich etwa in dieser kleinen Reihe von Notizenhier zum Thema „Beuys 101“ ausdrückt. Deshalb spannt sich ich dieser Geschichte der Bogen von 1914 zur Gegenwart, von Verdun bis nach Mariupol.


Rußlands Überfall auf die Ukraine hatte seinen Vorlauf 2014, als Rußland die Krim besetzt. Das lenkt mein Augenmerk auf 1944-2014. Nicht in einem esoterischen Sinn und nicht für eine dubiose Schicksalsdeuterei, sondern um Muster zu unterstreichen und zu bearbeiten, die sich eventuell in eine andere mediale Form transponieren lassen. Ich zeige es Ihnen an einem kleinen Beispiel.

+) 16. März 1944: Eine Junkers J 87 (Stuka) auf dem Weg nach Sewastopol stürzt gegen Mittag ab. Pilot Hans Laurinck stirbt, Bordschütze und Funker Joseph Beuys überlebt. (Sewastopol ist die größte Stadt der Krim und bis heute Hauptstützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte.)
+) 18. März 2014: Rußland annektiert die ukrainische Halbinsel Krim.

Laurinck und Beuys waren zu jenem Zeitpunkt beide 22 Jahre alt. Ihre Mission lief übrigens aufgrund des miserablen Wetters als Blindflug im Schneesturm. Ein Instrumentenflug, bei dem Laurinck die Junkers offenbar zu tief bewegte und plötzlich Bodenkontakt hatte.

Ich werde hier noch aufschlüsseln, wie diese Motive mit Gin Tonic zusammengehen und welches Mosaik sich in meiner Arbeitsphase fügt, um zu einigen Beuys-Momenten zu kommen, die ich mit Künstler Heinz Payer durchrüttle.

Wie schon erwähnt, diese Episode XV hat Berührungspunkte mit der Episode XIII: „Mai acht“, die jenem Datum gewidmet war, zu dem der Faschismus meiner Leute militärische geschlagen war. [Fortsetzung]


-- [Beyus 101] --

[Kalender] [Reset]

Postskriptum
Die Fotos zeigen Robert Adrian X (†) bei unserer Wiener Session „stehen | standing“ während einer Direktschaltung nach St. Petersburg im Rahmen von „the long distance howl: the track“, realisiert am 13. Oktober 2003.