7. Jänner 2021

Teilhabe an der Macht

Verblüffend, wie der Lauf der Dinge momentan meine Überlegungen illustriert. Vom ORF erfuhr ich via Facebook: „Eilmeldung: Die Demokraten haben sich durch das Wahlergebnis bei Stichwahlen in Georgia die Kontrolle im US-Senat gesichert.“ Das bedeutet, am nächsten US-Präsident Joe Biden ist nicht mehr zu rütteln, was Unruhen auslöste.

Die Kleine Zeitung meldete zu den folgenden Ereignissen: „Sturm auf Kapitol: Vier Tote, Dutzende Verletzte“. Dazu hieß es: „Anhänger des abgewählten US-Präsidenten haben das Kapitol gestürmt und die Sitzung zur Zertifizierung von Joe Bidens Wahlsieg unterbrochen. Schüsse sind gefallen, mehrere Personen sind gestorben.“ [Quelle]

Das korrespondiert mit einem Moment im letzten August. Da versuchten Leute in den deutschen Reichstag einzudringen. Dabei standen ihnen schließlich bloß noch drei Polizisten im Weg, die ihre Gesundheit riskierten, um ein Prinzip zu schützen. Funktionstragende sollten bei ihrer politischen Arbeit an diesem Ort nicht von außen unter Druck gesetzt werden können. Siehe dazu: „Berlin, August 2020“!

Ich sah das als ein Schlüsselereignis des Jahres. An jenem Augusttag hatte ich außerdem einige Gedanken über „Volk und Bevölkerung“ notiert, weil in letzter Zeit dauernd Leute herumrennen, die „Wir sind das Volk!“ brüllen. Dazu später. Der Standard berichtete: „Im Sitzungssaal versuchen Polizisten mit gezogener Waffe Demonstranten aufzuhalten.“ [Quelle]

Michael H. schrieb zu all dem auf Facebook: „Wer sagt uns, dass das Trump Anhänger waren und nicht irgendwelche Antifa Anhängsel! Ihr Kleine Zeitung? Aber trotzdem schlimm was dort passiert!“ Bernhard B. erwiderte: „die Trump Fahnen und Maga-Hauberln wären ein Hinweis.“ Darauf Michael H.: „natürlich! Aber nur weil man für etwas steht, heisst es nicht das man auch dafür ist!“ Etwas verwirrend!


Zu all dem der ORF via Zeit im Bild: „Nach der Stürmung des US-Kongresses in Washington durch Trump-Anhänger greift Twitter jetzt durch. Die letzten Tweets des Präsidenten wurden als gewaltverherrlichend eingestuft und gelöscht. Sein Account wird für zwölf Stunden gesperrt. Bei weiteren Verstößen gegen die Plattform-Regeln wird Trumps Account dauerhaft gesperrt…“

Meine gestrige Facebook-Notiz: „ja wie? erst jetzt kämen wir drauf, dass demokratie keine hängematte ist, bei der schirmchen-drinks gereicht werden? auch gut. guten morgen!“

Teilhabe an der Macht. Damit meine ich Positionen, in denen man über das Verhalten von Menschen und über Ressourcen verfügen kann. Hier in größerem Ausmaß, aber auch im Kleinen, im Familiären. Wir kennen tausend Arten, wie Menschen solche Positionen anstreben.

Wir kennen außerdem das Verhalten jener, die sich solchen Leuten andienen, um so wenigstens indirekt eine Teilhabe an der Macht zu genießen. Wenn ich meine gestrige Notiz mit der Frage „Was tun Intellektuelle?“ eingeleitet hab, dann zielt das ja auch auf diesen aktuellen Klärungsbedarf.

Anders ausgedrückt: die Macht, auf die manche Menschen Anspruch erheben, unterliegt Fragen der Kontrolle, der Gewaltenteilung, der Verteilungsgerechtigkeit. Wenn es in unserer Verfassung heißt, alles Recht gehe vom Volk aus, dort sei folglich die Macht zuhause, dann sind damit drei Abstraktionen erwähnt, um eine politische Idee auszudrücken: Recht, Macht und Volk.

Deshalb bleibt „Wir sind das Volk“ so diskussionswürdig. Da frage ich nicht nur: wer ist und wie viele sind durch welche Legitimation das Volk? Ich frage auch: meint Volk nun Ethnos oder Demos? [Fortsetzung]


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