6. Jänner 2021
Kopfarbeit: suspekt!
Was tun Intellektuelle? Sie machen Wissensarbeit, die sie
verwerten. Das ist ein heikles Thema, weil wir in Österreich
eine lange Tradition der Intellektuellenfeindlichkeit haben.
Gut, das ist keine Domäne unseres Landes.
Denken Sie an das Lied „Working
Class Hero“ von John Lennon. Da heißt es an einer Stelle:
„They hurt you at home and they hit you at school / They
hate you if you're clever and they despise a fool“. Es
fällt nicht besonders schwer, die Gründe für so ein Klima
aufzuspüren.
Die meisten von uns sind Nachkommen
subalterner Schichten. Hinter uns liegen unzählige
Generationen von Untertanen. Die lebten in Verhältnissen, da
war streng geregelt, wer das Maul aufmachen durfte und wer
seinen Unmut wohin entladen konnte.
Die Hierarchie
einer ständischen Gesellschaft, die Konventionen feudaler
Herrschaftsverhältnisse konnten nur unter erheblichem Risiko
übergangen werden, wenn man keinen entsprechende Rang
bekleidete. Darum sagt Soziologe Gunnar Heinsohn: „Um
Brot wird gebettelt, um Rang wird geschossen.“
Aber da sind nun Intellektuelle, die nicht daran denken,
Herrschaftswissen unangetastet zu lassen. Dostojewski wurden
noch in ein sibirisches Straflager verbracht, weil er in der
Salonkultur seiner Zeit zu kühnen Überlegungen angehangen
hatte.
Und Österreichs Vormärz? Nestroy ging in den Knast, weil
er sich von der Bühne herab über die zu kleinen Semmeln der
Bäckerzunft lustig gemacht hatte. Wäre Erzherzog Johann von
Österreich nicht der Bruder des Kaisers gewesen, ich wette,
Metternich hätte den Aristokraten auf Null gestellt.
Wissen erwerben. Sich in öffentliche Diskurse einbringen, ohne
daß einem dafür von jemandem ein Mandat verliehen wurde.
Wissensarbeit, Kritik, Teilnahme an öffentlichen Debatten. Das
machen Intellektuelle.
Als Emile Zola im Frankreich des
Jänners 1898 den Staat mit seinem „J’accuse…!“ („Ich
klage an…!) herausforderte, mußte er schließlich vor
Strafverfolgung flüchten. Die Obrigkeit bevorzugte es, nach
Kräften Kontrolle über öffentliche Diskurse zu behalten.
Wir sind es aber längst gewohnt, daß so etwas nicht durchsetzbar
ist. Die Res publica ist als öffentliche Angelegenheit das
Kernereignis einer Republik. Wir halten es in einer Demokratie
für selbstverständlich, daß Menschen am öffentlichen politischen
Leben teilnehmen.
Das meint in einer pluralistischen
Gesellschaft schon aus Prinzip: Meinungsfreiheit und
Antwortvielfalt. Das meint ferner seit Anfang der 1990er Jahre
(durch die Einführung des TCP/IP und eine Vernetzung der Netze)
eine völlig neue Mediensituation.
Dadurch mischen
inzwischen Leute, die vorher über Stammtisch-Grenzen kaum
hinauskamen, via Medien in öffentlichen Debatten mit. Damit hat
freilich auch die Intellektuellenfeindlichkeit neue
Möglichkeiten und Dimensionen gefunden. Der verinnerlichte
Untertan haut gerne auf jene hin, die sich mit ihrer Kritik
gegen das Personal der Macht äußern.
Macht? Wer über
menschliches Verhalten und Ressourcen verfügt, genießt eine
Teilhabe an der Macht. Selbstverständlich mußt das in einer Res
publica laufend beobachtet, debattiert, kritisiert werden.
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