26. September 2020
Itsch
Es sind längst
Jahrzehnte, seit ich mich mit Kultur und Geschichte unserer
südslawischen Nachbarn befasse. Aber ich kann mich bis heute
nicht entscheiden, ob ich in der Schrift adaptierte Variante
verwenden soll oder mich um die HTML-Codes für diakritische
Zeichen bemühen, denn im Süden gilt: ein Laut = ein Zeichen.
Petković-Ausstellung
in der "Schock-Galerie"
Also Igor F. Petković oder
Petkowitsch? (Sie erkennen den wesentlichen Punkt?) Er hat diese
Ambivalenz selbst ausgedrückt, indem er eine seiner Websites [:itsch]
nannte, die Sache in der phonetischen Variante raushaut, welche
eben auch verschriftlicht werden kann.
Igor F. Petković (3.v.l.) in der "Art Klinika"
Bei seinen serbischen
Wurzeln käme noch die Cyrilica als weiteres
Codesystem dazu. Ich mag ja solche Komplexität.
Codes! Das beschäftigt mich schon eine Ewigkeit und
drei Tage. Aber! Wie bekamen wir miteinander zu tun?
Ich erinnere mich an eine Konditorei in Novi
Sad. Dort gab es unter anderem Süßspeisen, die
irgendwas mit „Bomba“ hießen und so
schmeckten, als könnten man damit jeden Diabetiker
ansatzlos ins Koma hauen. Igor F. Petković saß an
einem der Tische, lesend.
Kunst / gratis / Steik
Ich mußte nun erst
nachschlagen, was der Anlaß war, in Novi Sad zu
sein. Itsch hatte eine Ausstellung in der „Shock
Gallery“ der „Art Klinika“. Wir trafen
uns zu einer Gesprächsrunde mit Nikola Dzafo und
seinen Leuten. Das war am 14. Dezember 2010.
Der 15. Dezember 2010 ist das Datum meiner „Novi
Sad-Session“. Damit hat damals eine Serie
von Ereignissen begonnen, die wir „Talking
Communities“ nannten. Es war stets von zwei
wichtigen Aspekten geprägt, die mittlerweile hier,
in meiner Gegend, merklich verblaßt sind: die reale
soziale Begegnung als Rahmen für kritische Diskurse.
Künstler Nikola Dzafo bei der Gründung der
"Schock-Allianz".
Damit ist gemeint: ab dem Jahr 2015 hat das
Gleisdorfer Büro für Kultur und Marketing die davor
regelmäßigen Arbeitsgespräche von Kunstschaffenden in der Region
systematisch demontiert und einen Top down-Modus durchgesetzt,
dessen Rahmen der
„Kulturpakt Gleisdorf“ als nun bloßes PR-Instrument
wurde.
Das war freilich nur möglich, weil sich die
Kreativen der Region diesem Modus angeschlossen, die
kulturpolitische Selbstbestimmung gegen Komfort eingetauscht
haben. Die Konsequenzen sind evident, aber dazu bei anderer
Gelegenheit. Hier die Serie der „Talking Communities“ von 2010 bis
2018: [Link]
In „Nennen Sie Ihre Gründe“ hatte ich damals
bezüglich öffentlicher Diskurse notiert: „Die Praxis
der ‚talking communities‘ läßt mich Menschen suchen,
welche als kritische Intelligenz verstanden werden
dürfen. Wenn ich solche Menschen zu einem Gespräch in
ein Schaufenster bitte, dann bedeutet das, ich vermeide
es, eine Situation zu reproduzieren, die als billige
Variante bürgerlicher Salons gelten will.“ [Quelle]]
Es ist natürlich kein Zufall, daß dieser Modus derzeit
eher abhanden kam.
Dieses Corona-Jahr 2020 hat deutlich gemacht, wer
seine Kräfte lieber bloß im Jammern erschöpft und
wer nach praktikablen Wegen sucht, um die
künstlerische und kulturelle Arbeit Fortzusetzen. An
meinem Ufer des Flusses heißt es: Die Kunst
schweigt nie! Itsch startet heute:
+) Die Session:
KUNST:FLUG: 111
-- [Wir
Ikarier] --
|