19. September 2020
Nun wieder das bewährte
Konferenzzentrum Saulauf (nahe Schloß Freiberg).
Ich hab dort schon mit allerhand inspirierten Menschen Dinge
ausgeheckt. Gestern dachten wir, noch ein Stück Sommer zu
erwischen und bekamen einen Herbstauftakt. Auch gut.
Heimo „The Driver“ hatte mich nachmittags angerufen
und gemeint: Laß uns ein neues Konzept aushecken, das wir
nie umsetzen werden. Es wäre wunderbar, denn da könnte
nichts schiefgehen. Dazu hatten wir schon im Vorfeld
erörtert, daß wir eine Website aufziehen könnten, in der wir
„Famous Final Scenes“ anbieten. Die praktischen
Inszenierungen bedeutender Schlußszenen eines Lebens.
Gasthaus Saulauf
Zum Beispiel: bist Du eher der Typ, der mit
einem schönen Traktor einen Abhang hinunterkullert
und dabei erdrückt wird? Oder solltest Du besser,
wie „Thelma & Louise“, mit einem Yank Tank aus den
1960ern in hohem Bogen über eine Klippe
hinausfliegen und mit einem phänomenalen Geräusch
aufschlagen?
Heimo
ist noch merklich jünger als ich, aber ich bin
definitiv in einem Alter, wo mir ein Nachdenken über
Schlußakte naheliegt. Ich krame für ein Projekt
gerade in meinem Familien-Archiv, da wird das auch
deutlich. Mein Urgroßvater
Matthias Renner
wurde 52 Jahre alt. Laut Totenschein hat ihn eine
Mischung aus „Lebercirrhose, Wassersucht,
Herzfehler“ weggerafft.
Großvater Karl wurde nicht mehr gefunden.
Großvater Karl Strohmayer schaffte es von 1860 bis
1945, um einen gewaltsamen Tod zu sterben. Das
ergibt 85 Sommer; nein, einen Sommer weniger, denn
eine handschriftliche Notiz meiner Mutter nennt den
16. Mai 1945 (Frühling!), als er „von den
Partisanen, weg vom Weingarten, verschleppt und
erschlagen“ wurde. (Kurios! Wir zählen das Leben in
Sommern und das Alter in Lenzen.)
Diese
Episode erklärt übrigens mein „Banzai Baby“ im
ersten Eintrag zum neuen Projekt. Dazu diese Frage:
„Vielleicht hat mein Vater deinen Vater getötet. Was
würde das für uns beide bedeuten?“ Wir leben in
einer Kette solcher Zusammenhänge, die es plausibel
erscheinen lassen, daß Nachfahren von Tätern und
Opfern einander real begegnen könnten.
Das Banzai-Baby
Aber
ich war mit Heimo dann bei der interessanteren
Version einer Schlußszene angelangt. Die basiert auf
einer Ansicht des Malers Markus Lüpertz, worauf die
künstlerische Arbeit vor allem ein Ringen und
Qualität und Vollendung sei.
Qualität und
Vollendung. Kann man auf andere Bereiche umlegen.
Was sollte das für ein Leben bedeuten? Na, die
Auflösung offener Fragen, die Einlösung offener
Aufgaben, das hängt ja von individuellen
Lebensentwürfen ab. Doch wir kamen überein, es könne
– so oder so – in eine klassische Position der Ars
moriendi übergehen.
Gleisdorf West
In etlichen wesentlichen
Fragen nichts Neues seit über zweitausend Jahren.
Diese kulturell tradierte Position lautet: Es darf
enden. Wenn jemand das wenigstens als
Orientierungspunkt wählt, hat es Konsequenzen für
ein Leben, für die Schritte, die man setzt. Also
kein bestimmtes moralisches Konzept, sondern eine
Frage der Folgerichtigkeit.
Was das nun mit
„New Concept Vertigo“ zu tun hat? In allen Aspekten
zeigt sich, daß ich mir einen Überblick verschaffen
muß, was meine Leute vom 19. quer durch das 20.
Jahrhundert führte, worin sich dann ja auch meine
Biographie entwickelt hat.
Als wir nachts vom
Hügel herunterkamen, wurde das meine erste Fahrt
über die neue Brücke am westlichen Eingang von
Gleisdorf. Das sind feine Details…
-- [New
Concept Vertigo] --
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