25. August 2020

Propaganda hüllt mich ein

Wir sind heuer alle gründlich durchgeschüttelt worden. Unsere materiellen Grundlagen und Rahmenbedingungen als Kulturschaffende haben sich schlagartig verschlechtert. Wenn ich beiseite lasse, was das an meiner Existenz bewirkt hat, deute ich es vorzugsweise als Weckruf. Wir leben in interessanten Zeiten.

Unter den momentanen Bedingungen taugen seichte Manöver wenig und inhaltliche Schwäche läßt einen umgehend mit nacktem Arsch dastehen. Es ist offenkundig die Stunde der Maulhelden angebrochen. Das drückt sich unter anderem in einem enormen Propaganda-Aufwand unserer Politik aus, zeigt sich aber auch an der zivilgesellschaftlichen Basis; und in einigen Phänomenen aktueller Protestbewegungen.


Weshalb ich mich in der Sache exponiere? Mein Leben in der Kunst verlangt die Konzentration auf Folgerichtigkeit. Sonst verkommt meine Arbeit zur Dekoration. Ich hab zwar entschieden, daß ich derzeit etwa das Schreiben von Gedichten und die Kunstpraxis zurückstelle, mich wesentlich den momentanen Zuständen widme, aber das ändert nichts an dieser Orientierung.

Was heißt das? Es korrespondiert mit dem Konzept von Karma: alles hat Konsequenzen. Nichts ist egal. Das ist kein moralisches Konzept, sondern läßt nach Kausalitäten fragen.

Da hab ich nun in den Einträgen von vorgestern zweierlei bestaunt. Einerseits diese Legende, wonach es heißt: „Solidarität unter Künstlern gehörte seit Jahrzehnten zum guten Ton.“ Es gibt kaum Belege für diese Behauptung, wenn man gelegentliche Protest-Ereignisse ausnimmt. [Link]

Andrerseits die aktuelle Proklamation der SPÖ-Chefin Rendi-Wagner, Ziel der Sozialdemokratie sei Vollbeschäftigung; eine Erklärung, als hätten Globalisierung und Vierte Industrielle Revolution nicht stattgefunden. [Link]


Beide Beispiele offenbaren den antiquierten Geist, der mich umweht und der sich bloß mit viel Propagandaaufwand auf die „Höhe der Zeit“ hinschminken läßt. Auch die in jenem Eintrag zitierte Meldung, steirische Kunst und Kultur bekämen weitere 1,14 Millionen Euro Budget, hat offenkundig den Hauptzweck, uns die Gesichter zweier Landespolitiker zu präsentieren. Public Relations!

Das gesamte Kulturbudget des Landes macht ja keine zwei Prozent des Landesbudgets aus und wenigstens zwei Drittel davon bleiben im Landeszentrum Graz. Diese Meldung gibt also wenig her. Haben wir aber neue kulturpolitische Konzepte auf dem Tisch? Neue Strategien? Nein.

Dazu paßt eine der jüngsten Meldungen bei der Facebook-Gruppe „Schweigemarsch der Künstlerinnen 2020“, welche lautet: „Die grüne Radrettung: Check your Bike!“ mit 16 Hashtags. Public Relations!

Das alles bedeutet, ich habe in diesem lebhaften Krisenjahr viel Getöse gehört. Neue Konzepte? Nächste Strategien? Bisher nicht. Ich hab übrigens im Rahmen meiner Reflexionen zum Langzeitprojekt „The Long Distance Howl“ auf der Kunst Ost-Site über das aktuelle Kulturbudget der Steiermark nachgedacht: [Link]

Siehe dazu auch:
+) 14. Juli 2020: Zwischenstand: ein Überblick
+) Für eine nächste Kulturpolitik: ein Überblick
+) Kulturpolitik: laufende Notizen (Tesserakt II)

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