15. Juli 2020
Vaterländisches
Gestern war in Gleisdorf dieser
merkwürdige Aufkleber zu entdecken, frisch und ohne Wetterspuren. Ich
hab erst noch überlegen müssen. Das Ergebnis meiner kleinen
Denksportaufgabe: wenn jemand das Denunzieren auf diese ironische Art
raushängt, könnten das Enkel der Denunzianten sein. Was ist denn das für
ein Thema?
Ich hatte dieser Tage den vaterländischen Andreas
Mölzer beim zuckersüßen Wolfgang Fellner mit großer Ausdauer wettern
gehört, wie sehr Österreichs Regierung in der Pandemie unsere Freiheiten
einschränken würden, daß man denken mochte, hier lehne sich ein feuriger
Teenager gegen seine verzopften Eltern auf.
Der Sticker thematisiert eine
Quarantänesituation, die es bei uns nicht gegeben hat, auch wenn der
Lockdown, wie er Mitte Mai aufgehoben wurde, einige Bürgerrechte
temporär beschränkt hat. Aber Quarantäne ist etwas anderes. Na,
wozu Genauigkeit? (Verschwörungsministranten und Corona-Kollaborateure
reden ja auch gerne von Zensur, wenn sie meinen, daß sie nicht gehört
werden.)
Viel Ömpörung. Schwierige Zeiten können gut
bewirtschaftet werden. Da läßt sich materieller und Immaterieller Profit
machen. Es ist ein seit Monaten gründlich niedergerittenes Hauptmotiv
vaterländischer Demokratieskeptiker, uns den Verlust von Freiheit
vorzubeten. Der oben gezeigte Sticker kommt übrigens aus einem
rechtsradikal aufgestellten Versandhaus.
Dort kann man Dinge
ordern, mit denen sich mühelos eine aktuelle Enzyklopädie der
Menschenverachtung erstellen ließe. Die Gestaltung des Aufklebers hat
mich an jene Sticker erinnert, die vor Jahren einen „Freispruch für
Honsik!“ gefordert haben und kurze Zeit in Gleisdorf recht dicht
gesetzt waren.
Der Neonazi und Holocaustleugner Honsik, ein Verwandter von
KZ-Kommandant Amon Göth und (nach eigener Aussage) Sproß einer
„Familie von anständigen Nationalsozialisten“, hat im Raum
Gleisdorf offenbar Anhängerschaft.
Honsik war 2008 angeklagt und
2009 zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Passend hatte ich beide
Jahre diese Appelle in Gleisdorf entdeckt; siehe die Einträge vom
31. Oktober 2008
und vom 1. Mai
2009.
Nun könnte ich hier zwar keine kausalen Zusammenhänge
belegen, aber es fällt auf, daß in unserer Gegend die Identitären immer
wieder Zeichen setzen. Vor fast genau einem Jahr, am 30. Juli 2019, habe
ich in diesem Zusammenhang einige Überlegungen zu „Heimat
und Identität“ notiert.
Diese vaterländischen Goldstücke haben in der Oststeiermark vor einer
Weile ihr „Hackher-Zentrum
Neu“ eingerichtet. Darunter auch Personal jener neuen
Bourgeoisie, die ihren Aufstiegswillen zum Beispiel mit
Geschichtskenntnis kostümiert.
Folgt man militärhistorischen
Schriften, war der Kampf um den Grazer Schloßberg (1809) in den
Napoleonischen Kriegen vor allem eine Kette von Peinlichkeiten und alles
andere als ein Ruhmesblatt österreichischer Militärs.
Deshalb muß
ich annehmen, wer so demonstrativ um unsere Identität besorgt ist, aber
unsere Geschichte offenbar nur oberflächlich kennt und sich
zurechtbiegt, sich dann demonstrativ unter diesen (Hackher-) Kontext
stellt, kann nicht besonders hell sein. Das ist Schrebergarten!
-- [Bourgeoisie]
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