30. November 2017 Ewald Ulrich spinnt die Geschichte weiter. Gestern war zur Aktion
auf Schloß Freiberg eine Debatte im Literaturcafé der Stadtbücherei
gekommen: "Dying Robots - Die Diskussion". Ich neige zur Wortklauberei.
Nicht bloß, weil ich Autor bin, sondern weil die Sprache einerseits das Denken
ausdrückt, andererseits das Denken beeinflußt. Es kommt also auf Begriffe an.
Ewald Ulrich (links) setzt auf dem Plakat-Foto das Messer
an, Karl Bauer hat noch den Schlachtschuß-Apparat in der Hand. Dieses "Dying
Robots" war als Titel sehr moderat ausgelegt, wurde auch in der gestrigen
Debatte nicht daraufhin befragt, was der Euphemismus verbergen soll, da es unübersehbar
um "Killing Robots" ging. Diese noble Distanz zum Ereignis ist sehr
authentisch. Haben wir Schlachthöfe, damit Tiere sterben? Gewiß. Aber sie sind eben
primär Orte, wo Tiere geschlachtet werden.
In aktuellen Science Fiction-Filmen gibt es ein
wiederkehrendes Motiv, wo sich Menschen Maschinensysteme zu Dienstboten gemacht haben. Es
ist den Maschinen verboten, sich selbst zu verändern. Darin liegt schon eine Ahnung, die
Apparate könnten eigene Interessen entwickeln, die sie an sich umsetzen, ohne sich
darüber mit uns abzustimmen.
Nichts anderes wird schon am Beginn der Spielfilm-Serie
"Jurassic Park"
(1993) thematisiert, wo Jeff Goldblum als Chaos-Theoretiker Dr. Ian Malcolm
warnt, man könne bei den Gen-Experimenten keine sichere Kontrolle erlangen, auch die
Kreaturen nicht verläßlich auf der Insel halten, denn "Das Leben findet immer
einen Weg". In "Splice" (2009) zeigte Ressigeur Vincenzo Natali, wie Neugier
und Begehrlichkeiten uns Menschen dazu bringen, höhere Risken einzugehen, als die
Vernunft und die Erfahrung zuließen.
Diese Gedanken handeln allesamt davon, daß wir uns mit der
Evolution nicht messen können. Wo sie spielt, weil als geklärt gilt, daß sie nicht
zielgerichtet vorgeht, sondern einfach Möglichkeiten erprobt, wünschen wir Kontrolle zu
üben. Das ist natürlich Illusion. Ewald Ulrich formuliert es provokant: "Es ist
unsere Aufgabe, jene Spezies zu erschaffen, die uns in der Evolution ablöst."
Das Projekt "Fiat Lux", dem hier mit
Schußapparat und Hochspannungs-Messer ein Ende bereitet wurde, wurzelt in der Erörterung
solcher Zusammenhänge. Wenn wir derzeit hören, daß die Vierte Industrielle
Revolution unser Leben so sehr verändern werde, wie zum Beispiel einst die Renaissance,
bleibt festzuhalten, das hat Peter Weibel schon vor Jahren mit dem Begriff Renaissance
2.0 unterstrichen und in diesem Zusammenhang die Formulierung Exo-Evolution
gebraucht. So meine Notiz vom Dezember 2015:
"Dort, wo die Natur sagt, das Leben ist zu Ende,
sagt der Mensch, mit Hilfe von Technik geht es weiter." Weibel betonte eine "noetischen
Wende" und präzisierte: "Wir schlagen daher eine noetische Wende vor:
Die Grenzen unserer Werkzeuge bilden die Grenzen unserer Welt, unserer Wahrnehmung,
unseres Lebens." Weibel hob außerdem hervor: "Exo-Evolution und
Infosphäre bedingen einander." Siehe dazu den Eintrag vom 8. Dezember 2015!
Techniker Ewald Ulrich und
Büchereileiterin Birgit Ferstl
Am Tag
davor hatte ich ein anderes Statement von Weibel zitiert: "Wir haben etwas
geschaffen, was es vorher nicht gab. Was die Natur nicht produziert hat, sondern was wir
konstruiert haben, das ist das Wirken der Exo-Evolution. Wir Menschen treten aus der
natürlichen Evolution heraus und erweitern sie dadurch."
Es ist nicht zu erwarten, daß wir Menschen in diesen
Kräftespielen bestimmen werden, wo die Reise hingeht. Was aber ist zu erwarten?
Womöglich eine etwas müßige Frage, da wir im Zustand der Prometheischen Scham
(Günther Anders) offenbar schon längst nicht mehr ausreichend gerüstet sind, das
Bestehende zu begreifen. Aber es spricht ja nichts gegen das Fragen. (Staunen und fragen.
Das ist der Beginn von Philosophie.)
An jenem
8. Dezember hatte ich einen kleinen Fragenkatalog aufgelistet:
+) Wie entsteht Neues?
+) Wie reflektiert man Wandel?
+) Wie sorgt man für die Zukunftsfähigkeit einer Region?
+) Wie steht es um unsere Fehlerkultur und eine Kultur des Nichtwissens?
Auch das hatten wir gestern debattiert. Kultur des
Nichtwissens. Was mich die Handwerker gelehrt haben, ließe sich so zusammenfassen:
Nur der ist klug, der fragt. Er tut damit etwas für sich, aber auch für die anderen,
für jene, an die er sich wendet. Und er tut vor allem etwas für die Sache, denn wer
wüßte schon genug, daß er nie fragen müßte?
Zur Veranstaltung der erste Schnee
dieses Winters
Der offene Umgang mit dem Nichtwissen als Ausdruck von
Klugheit. Das ist eine Qualität, die ich schätze, die aber, wie mir gestern
mehrfach versichert wurde, in unserer Gesellschaft nicht gerade populär sei. Da ich
derzeit schon an den inhaltlichen Grundlagen für das 2018er Kunstsymposion
arbeite, quillt mein Notizheft über. Hier steht auf der momentan vorletzten beschrieben
Seite unter anderem: Soziales Handeln ist eine der wichtigsten Sinnressourcen, die wir
kennen.
So bin ich sehr zufrieden, welche inhaltlichen Verläufe
sich in der prozeßhaften Arbeit ergeben. Fiat Lux hat sich verselbstständigt,
um unterzugehen. Das steht in einem guten Kontrast zu den eleganten Arbeiten von Niki
Passath, dessen mobile Maschinchen ebenso interessant sind, wie die Arbeiten, die sie
hervorbringen. Das war kürzlich im Grazer Schaumbad zu sehen, wo er seinen
Maschinenpark und dessen Malereien aus verschiedenen Abschnitten zeigte.
Passaths Passagen
Folglich hatte das 2017er Kunstsymposion in sich
einen Themenbogen, der über das eigene Ereignis weit hinausreicht, sich auch in den
Vorhaben anderer spiegelt und überdies Linien fürs kommende Arbeitsjahr anbietet.
-- [Fiat Lux III] [Das 2018er Kunstsymposion] -- |