26. November 2017 Am vorigen Freitag fand in Stainz die letzte Session des 2017er Kunstsymposions
statt. Ich habe seit dem 2007er Jahr und dem ersten derartigen Ereignis (next code: love)
keine so große und heterogene Crew zur Umsetzung solcher Herbstereignisse beieinander
gehabt. Das führte damals weiter über die Erprobung autonomer
Ortsformationen (2010 bei Kunst Ost) zut ursprünglichen Konzeption im
Ansatz zum Kulturpakt
Gleisdorf (2013), die 2015 vom Tisch war.
Stainz-Session: Robert Gabris
und Ursula Glaeser
Die Jahre 2016 und 2017 sind darin Bruchstellen. Mein
Langzeitprojekt "The Long
Distance Howl" erfährt gerade eine Weichenstellung. Es scheint mir derzeit
ziemlich klar, wo die Möglichkeiten und die Grenzen einer kollektiven Wissens- und
Kulturarbeit in der Provinz liegen. (Ich hab mit Sicherheit einmal mehr unterschätzt, wie
sehr der Kulturbetrieb uns Menschen als Distinktionsmaschine nützen muß.)
Im Moment steht die Liste der Notizen zum
2017er Kunstsymposion bei Eintrag Nummer 104. Dem werden sicher noch einige
Blätter folgen. Das möge deutlich machen: Dieses Geschehen ist nicht nur ein Ereignis,
sondern auch eine Erzählung. Das Geschehen ist auch Text.
Ich habe erfahren, daß dieser Umstand manchen Menschen
wunderlich erscheint. Es half der Hinweis darauf, daß ich primär Schriftsteller bin,
also ein Mann der Texte, offenbar wenig. Dabei könnte das als ein kurioses Genre erlebt
werden. Text geht in Taten über, manifestiert sich daraufhin in anderen medialen Formen.
(Das hat mit der Option Hyxpertext etwas zu tun.)
Man beachte diese Formulierung! Sie ist nicht zufällig
gewählt, verweist im Moment auf ein weiterführendes Vorhaben, das ich im 2018er Kunstsymposion
einlösen werde; und zwar in Zusammenarbeit mit Data Scientist Heimo Müller und Künstler
Selman Trtovac: "Der Sarajevo-Kontext" (1918-2018).
Text geht in Taten über, manifestiert sich daraufhin
in anderen medialen Formen. Das wäre auch eine taugliche Kurzfassung des Phänomens Nationalismus.
Was in unserem Lebensraum erst zum Ende des 19. Jahrhunderts auf bemerkenswerte Art
virulent wurde und hier bis heute gelebt wird, da nun ein populäres Motto "Österreich
zuerst!" lautet, ist auf genau diese Art gedacht und umgesetzt worden. Vom
Text zut Tat.
Albersdorf-Session: Selman
Trtovac (links) und Heimo Müller
Ich habe in den letzten Jahren auch meine Leute schon
merklich ermüdet, wenn mir danach war, dieses Mantra zu wiederholen, die Ortsangabe zum
Weg von Verdun üder Auschwitz nach Srebrenica. Als Künstler arbeite ich mit
Symbolen. Mit Codes. Bedeutungen. Zusammenhänge. Interferenzen...
Ich hab am 20.11.2017 den ersten Eintrag zu
diesem 2018er Teilprojekt auf den Server geladen. Zwei Tage darauf war in der "Zeit"
zu lesen: "Kurz vor dem Urteilsspruch war Mladic wegen Zwischenrufen aus dem
Gerichtssaal gebracht worden. 'Sie lügen', schrie der 74-Jährige während der
Urteilsverlesung an Orie gewandt." [link]
Es ließe sich nicht treffender illustrieren, was den Nationalismus
im Kern ausmacht. Pose und Leugnung. Das Poltern, solange man bewaffnet ist, das
Weinerliche, wenn es geendet hat.
Als er noch in Waffen ging und seine Soldateska hinter sich
hatte, ist der serbische Warlord Ratko Mladic ein furchterregender Mann gewesen, der
beispielsweise dem Blauhelm- Kommandanten Ton Karremans in der Enklave Srebrenica damals
eine Zigarettenpackung hinhielt und sagte: "Nehmen sie eine, es wird nicht ihre
letzte sein." So verstand er es, jemandem zu drohen. Heute ist er nicht Manns
genug, zu seiner Mission zu stehen, an der Tausende ihr Leben verloren. (Ein Foto im britischen Telegraph erinnert an diese Begegnung mit
Karremans.)
Welche Gedanken und welche Arbeitsschritte wollen also nun
geordnet, konzentriert werden? Ein Rechtsruck unserer Politik ist ebenso unübersehbar wie
ein Revival des Nationalismus, der es bei uns bisher auf kaum mehr als ein Jahrhundert
Laufzeit bringt, nachdem Österreich etwas mehr als ein halbes Jahrtausend als
multiethnisches Imperium existiert hat. Inhalte!
An der Stainz-Session schien mir bemerkenswert,
wie deutlich Robert Gabris seine Bedingung herausgestellt hat, das künstlerische Werk sei
auf Inhalte abgestellt. Thema. Aussage. Wie es in seinem Leben eine Art laufender
Erzählung gibt, finde ich das auch bei allen anderen Kunstschaffenden, mit denen ich
derzeit zu tun habe. Niemand unter ihnen beschränkt sich auf das Produzieren von
Ästhetik.
Welche Inhalte sollen Raum gewinnen?
Was könnte den Kontrast zu anderen Feldern deutlicher
machen, als die Facebook-Notiz einer Kreativen, die derzeit in meiner Umgebung
für reichlich Öffentlichkeit sorgt? Sie schrieb: "Das wohl Schwierigste ist
einen originellen Titel zu finden!!" Was soll man dazu sagen?
Wir haben derzeit keine Kultur der Kritik. Ich habe das
auch im 2017er Kunstsymposion vermißt. Einwände erscheinen verdächtig, die
Unterscheidung von Kritik zur Sache und zur Person bleibt unscharf. Reizschwellen liegen
oft um die Knöchel oder tiefer. Das simple Prinzip "Nennen Sie Ihre
Gründe!" ist etwas aus der Mode gekommen.
Ich hab im Projekt-Logbuch eben notiert: "Was
nun die Kritik für gewöhnlich tut, ist das Vergleichen, um dann zu beschreiben, was der
Vergleich erkennen läßt." [Quelle] Ich hab momentan keine hinreichende Klarheit, was der Stand
der Dinge sei. Aber eben deshalb ist -- unter anderem -- jetzt schon die Zeit gekommen,
das 2018er Kunstsymposion vorzubereiten.
-- [Das 2017er Kunstsymposion] [Das 2018er Kunstsymposion] -- |