13. Jänner 2016

Wie gestern erwähnt: Zukunftsfähigkeit. Wer auch nur mäßig aufmerksam verfolgt, was via Medien derzeit zur Debatte steht, wird vielleicht zur Ansicht gelangen, daß die Zukunft gerade wie eine Geisterfahrerin auf uns zurast.

Dazu gehört, die aktuelle Automatisierungswelle plus die Entfaltung eines "Internet der Dinge" mit all den heute schon bekannten Konsequenzen wird nach unterschiedlichen Schätzungen in manchen Bereichen bis zu 50 Prozent der Jobs und Arbeitsplätze wegräumen.

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Ich habe gestern aus einer kleinen Kontroverse zitiert, in der mir ein Andersdenkender eine Frage stellte, die eigentlich Mitte der 1980er akut war: "welche arbeit wollen sie denn automatisieren wenn nicht jene im niedrig entlohnten handwerk?" [Quelle]

Ich schließe daraus einmal mehr in etwas polemischer Verkürzung, daß es Österreichs Politik, Bildungssystem und Kulturbetrieb bisher nicht geschafft haben, wenigstes einen nennenswerten Teil gebildeter Kreise mit dem Stand der Dinge thematisch etwas vertraut zu machen.

Es ist müßig, solche Situationen zu beklagen. Es bleibt im Grunde nur, die relevanten Fragen zur aktuellen Situation zu finden und dann mit Personen, die sich zu solchen Themen erreichen lassen, dieser Geisterfahrerinnen-Zukunft entgegenzugehen.

Ich habe im gestrigen Eintrag deutlich zu machen versucht, warum auch bloß zwei Personen abseits des Landeszentrums schon einen wichtigen Ausgangspunkt markieren können, um im Sinne des Schachbretts mit den Weizenkörnern relevante Prozesse zu initiieren.

Die deutsche Fachzeitschrift Kulturpolitische Mitteilungen hatte ihr jüngstes Heft (151 IV/2015) dem Themas "Kultur in ländlichen Räumen" gewidmet.

Darin wird unter anderem Kulturpolitik als Stadtpolitik erwähnt und "Die neue Erklärung des Deutschen Städtetages" zur Sprache gebracht. In einem "Interview mit dem Vorsitzenden des Kulturausschusses Dr. Hans-Georg Küppers" nennt dieser hauptsächlich drei Punkte zur Überlegung "Das kann und muss Kulturpolitik für die Gesellschaft leisten":

• Kulturpolitik ist gestaltende Stadtpolitik, auch im Sinne der Schaffung einer geistigen Infrastruktur.
• Kulturelle Vielfalt in der Stadtgesellschaft verlangt, Verbindendes zu suchen und Verschiedenheiten zuzulassen, und zwar im Sinne von Anerkennung, nicht lediglich im Sinne von Toleranz.
• Vorausschauende Kulturpolitik darf nicht länger singulär agieren, vielmehr ist ein ressortübergreifendes Handeln erforderlich, ein Handeln, das auch verstärkt Künstlerinnen und Künstler ins Blickfeld rückt.
[Quelle: PDF-Datei]

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Die Schaffung einer geistigen Infrastruktur. Sind wir gerüstet, wenigstens zu klären, was damit gemeint sein könnte? Können wir uns mit Politik und Verwaltung darüber verständigen, was es dazu bräuchte?

Küppers konstatiert ein "...Faktum, dass es ohne Künstlerinnen und Künstler in der Stadt keine Künste und damit keine anregenden kulturellen Milieus geben kann."

Würde uns hier in dieser Einschätzung jemand zustimmen? Das ist keine rhetorische Frage und die Antwort lautet eher nein als ja. Es ist bemerkenswert, daß sich derzeit regional dafür im Unternehmertum leichter Ansprechpersonen finden lassen, als a) unter den Kulturschaffenden und b) bei Politik wie Verwaltung.

Da ich gestern den Ethnologe Dieter Kramer zitiert habe, der die Bedeutung von Festen beschreibt, diese Funktion kann dem derzeitigen Kulturbetrieb in der Region ja durchus zugeschrieben werden.

Es dominieren Kunstveranstaltungen als geselliges Ereignis, dazu ein Schuß Erbauung, seit geraumer Zeit auch gerne mit "Kulinarik" verknüpft. Kunst und Kultur als a) Wellness-Zone und b) Raum zur sozialen Selbstdarstellung. Okay.

Dann war da ja noch etwas... Ich hab Dirk Helbing von der ETH Zürich hier schon zitiert. Lassen Sie es uns nicht als Alarmismus deuten, sondern als Einladung, diese aufregende Themenstellung endlich zu schultern:

"Kein Land der Welt ist vorbereitet auf das, was kommt", sagt er und meint damit die vor uns liegende, digitale Revolution. Diese verändere unsere Gesellschaft in atemberaubender Geschwindigkeit. "Nichts wird so bleiben, wie es war. In den meisten europäischen Ländern werden circa 50 Prozent der heutigen Arbeitsplätze verloren gehen." [Quelle]

Das sind ja wiederkehrende Effekte. Innerhalb meiner eigenen Biographie war es die Digitale Revolution, durch die viele Berufe verschwanden. Eines der populärsten Beispiele blieb dabei stets der Schriftsetzer, den es nur noch recht selten in den Nischen des Bibliophilen gibt. Druckereien haben sich seit den 1970ern radikal verändert.

John Naisbitt schildert derlei am Beispiel einer davor liegenden Industriellen Revolution: "Vor 115 Jahren arbeiteten 50 Prozent der Beschäftigten der USA in der Landwirtschaft. Heute sind es 0,7 Prozent, ein unfassbarer Wandel. Jetzt findet wieder so ein Umsturz statt. Die Menschen halten sich fest an dem, was ihnen vertraut ist, das ist normal. Aber das macht es so schwer, offen für das Neue, das Unbekannte zu sein." [Quelle]

Um es etwas polemisch hervorzuheben, es wäre zu fordern, daß wenigstens die Hälfte der öffentlichen Gelder des Kulturbereiches für Vorhaben gesichert werden sollte, die sich Fragen der Transformation und der Transition widmen, in denen der Status quo bearbeitet und dargestellt wird, um Wege in diese oder jene Zukunft zu zeichnen.

Das ist freilich eine ganz aussichtslose Überlegung. Warum sollten jene, die gute Budgets und gute Jobs haben, sich diesem Umbruch widmen? Warum sollten sie das "Altbewährte" aufgeben, obwohl es in der Bearbeitung mühelos und für die Zukunft nur von mäßiger Relevanz ist? Es wird also in Nischen zu arbeiten sein, mit spärlichen Budgets, wie auch immer...

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