12. Jänner 2016

Zukunftsfähigkeit. Diesen Begriff hab ich aus der Volkskunde bezogen. Ich höre, er ist natürlich auch in anderen Genres gebräuchlich. Ich betrachte und bearbeite solche Themen vom Boden des Kulturbetriebes aus, der sich freilich auch in Gebiete der Wirtschaft und des Alltagslebens eines Gemeinwesens ausstülpt.

Der Ethnologe Dieter Kramer notiert in seinem Nachdenken über Kulturpolitik: "Wie sehr bei der Verwaltung von Angelegenheiten der Gemeinschaft und beim Umgang mit Allmende und mit Gemeinwerk festlich-genussvolle Komponenten eine Rolle spielen, ist deutlich."

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Krammer erinnert daran, das die Feste in den vorindustriellen Lebenswelten "den Individuen Höhepunkte des Lebens und des Jahreslaufes" boten. Man sagt bei uns "Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps".

Goethe läßt seine Ballade vom Schatzgräber so beginnen: "Arm am Beutel, krank am Herzen | Schleppt' ich meine langen Tage. | Armut ist die größte Plage, | Reichtum ist das höchste Gut!"

Viel bekannter sind die Schlußverse dieser Dichtung: "Grabe hier nicht mehr vergebens! | Tages Arbeit, Abends Gäste! | Saure Wochen, frohe Feste! | Sei dein künftig Zauberwort."

Dieses "Saure Wochen, frohe Feste!" reflektiert die Lebensbedingungen der Untertanen, denen der "blaue Montag", die Feiertage und religiösen Feste einzige Nischen waren, um sich von den langen Arbeitstagen zu erholen. Urlaub gab es nicht. Was Arbeiterbewegungen in Europa als erstes erkämpften, war zum Beispiel die Begrenzung der Arbeitszeit für Kinder in den Fabriken... auf zehn Stunden pro Tag.

Vom Kommerzradio bis zu Facebook kennen wir die Loblieder auf den Freitag, wenn endlich das Wochenende anbricht, auf daß ein Leben begänne. Trendforscher John Naisbitt und seien Frau Doris machten das kürzlich in einem Interview zum Thema: "...erst lebt man von Wochenende zu Wochenende – und dann mit Blick auf die Pension."

Das wirkt ja etwas gespenstisch; Lebenskonzepte, die sich auf freie Tage und Urlaub beschränken, die restliche Zeit aber als inferior abtun. Und das vor dem Hintergrund eines Umbruchs globaler Dimension. Naisbitt: "200 Jahre lang hat der Westen die Welt dominiert, jetzt erleben wir den Aufstieg der Länder des globalen Südgürtels. Aber die westliche Welt verschließt davor die Augen." [Quelle]

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Was geht uns denn das auf regionaler Ebene an? Was können wir hier in der Provinz denn überhaupt tun, um in solchen globalen Prozessen mitzuwirken? Ist das überhaupt möglich, denkbar?

Die Antworten dazu scheinen für mich leicht zu finden. Eine davon: Jede einzelne Person, die sich vor dem Unbekannten nicht mehr gar so sehr fürchten muß, die sich mindestens befähigt sieht, mit offenen Augen interessante Fragen zu stellen, ist ein Gewinn in diesem Lauf der Dinge.

Jedes wache Gegenüber so einer Person erweitert die Chancen auf Quantensprünge. Da verhält es sich gewiß ebenso wie mit dem Schachbrett und den Reiskörnern, wahlweise Weizenkörnern. Haben Sie eine Vorstellung, was passiert, wenn man auf die Felder eines Schachbretts Reiskörner in jeweils der doppelte Anzahl des vorherigen Feldes legt? Das Internet wimmelt nur so von Berichten über die Lösungen.

Wikipedia verrät uns: "...eine Masse von ca. 730 Mrd. t. Das entspricht etwa der 1200-fachen weltweiten Weizenernte des Jahres 2004 (624 Mio. t)." [Quelle] Das könnte einen bezüglich der Frage nach Bildung recht zuversichtlich stimmen. Was mit zwei Menschen beginnt, kann in den Prozessen von Kommunikation und Meinungsbildung zu Quantensprüngen der Verbreitung eines anspruchsvollen Bildungsniveaus führen.

Es weist viel darauf hin, daß wir in 20 bis 30 Jahren die uns vertraute Arbeitswelt nicht wiedererkennen werden. Das liegt an nächsten Automatisierungswellen auf technologischer Ebene genauso wie an der eingangs erwähnten Verschiebung wirtschaftlicher Schwerpunkte etc.

Naisbitt: "Das Machtzentrum der Weltwirtschaft verlagert sich aus den USA und Europa zu einem "Süd-Gürtel" aus 150 Ländern, von Lateinamerika über Afrika bis nach Asien – mit China als dem dominanten Spieler. Das passiere schleichend, aber unaufhaltsam."

Wie ist es möglich, daß diese Themen längst in großen Buchstaben an die Wand geschrieben stehen, aber weder in unserem Kulturbetrieb, noch ganz allgemein im Gemeinwesen auftauchen?

Ich meine, daß viele Menschen unter uns sich mit der energischen Abwehr von Flüchtlingen darüber hinwegschwindeln, daß diese Flüchtlingsströme bloß integraler Bestandteil jener Kräftespiele sind, die sich als ein globaler Umbruch vertrauter Verhältnisse schon vollziehen.

Ich hab im Zusammenhang solcher Fragen kürzlich auf Facebook erlebt, daß mich ein Diskutant als Andersdenkenden derart unerträglich fand, da mußte er recht zügig zu Diffamierung und Abschätzigkeit umschwenken, damit er sich den größeren Fragen nicht zu widmen braucht. Ein beispiel für die Strategien des Beharrens, wenn man sich neuen Fragen nicht stellen möchte.

F. J. F.: Martin Krusche welch großer geist sie doch sind. und ein linker agitator, der sich meisterlich jeder diskussion entzieht. ihre gegenüber sind halt nicht satisfaktionsfähig, was? wie wärs mit einfach einmal antworten anstatt der frage die legitimität streitig zu machen... [Diese Zeilen im Kontext]

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