1. Juli 2015Die erste Hälfte des Jahres ist verbraucht. Mag die zweite Hälfte
mit einer kleinen Meditation über einer regionalen Speisekarte beginnen.
Da Kinder bei uns gerne als komische kleine
Wesen gesehen werden, ist es fast einleuchtend, sie mit komischen kleinen Wesen zu
assoziieren. Ob etwa mein Sohn, der längst sein
Erwachsenenleben führt, mit Pumuckl und Biene Maja vertraut wäre? War
er es je? Würde er, falls er ein Kind haben wird, ihm einen Wickie oder einem Piratenteller
auftischen lassen? |
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Zeitgenossenschaft ist ein so
anstrengendes Geschäft. Dauernd liegt sie hinter einem. Stets sollte man sich neu
erfinden. Wahlweise stünde es einem frei, ein antiquiertes Wesen zu sein. Solch
unaufgeregte Existenz kann einem aber emotional stark zusetzen.
Ich hatte vor Jahren zu einer Ausstellung
geladen, die trug den Titel "Nobody want's to be nobody": [link] Als
läge 2007 gar so weit zurück. Ich hab kürzlich immer noch erheblich unterschätzt, wie
stark der Antrieb, um jemand zu sein, sich bei vielen Menschen als völlig
selbstreferenzielle Kraft entfaltet.
Kürzlich hatte mich ein freundlicher Hinweis
auf meinen Bruder, einen vom Selbstmitleid durchnäßten Helden seiner kühnen Träume,
daran erinnert, daß man dieses Bestreben an den Menschen nur selten überschätzen kann:
[link]
Was wäre aber demnach eine ausreichend
unaufgeregte Position, um dennoch im Geschäft zu bleiben? Unter uns Freelancers sind die
Ressourcen immer knapp. Dabei ist der Status offenbar von magischer Anziehungskraft, denn
kaum ein Metier hat so viele fix angestellte, fest verdrahtete Leute unter denen, die sich
als angeblich Freischaffende vorstellen.
Da ist wieder dieser Satz: Wenn wir keine
Begriffe haben, wissen wir nicht, worüber wir reden. Oder ist das bloß meine
Marotte, daß ich als Autor ein sehr ernstes Verhältnis zu Worten habe?
Ich habe oben eine Ausstellungssituation
gezeigt, in der Arbeiten von Renate Krammer so filigran sind, daß sie sich auf etwas
Abstand in der Betrachtung allem zu entziehen scheinen. Eine interessante Option. Die
Ausstellung hieß überdies "Auf dem Rücken der Wörter".
Das ist ein sehr schöner Hinweis darauf, wie
eine subtile Kommunikation uns zu tragen vermag. Aus den vertrauten Codes läßt sich ein
Floß bauen, mit dem selbst einschüchternde Gewässer befahren werden können.
Das beschäftigt mich auf andere Art gerade
mit diesen beiden Herren. Links Heimo Müller, rechts Ewald Ulrich, jeder von ihnen mit
der aktuellen Mediensituation gut vertraut, mit EDV-gestützten Systemen.
Für eine kleine Publikation, die demnächst
fertig sein soll, hatte ich zu notieren: "Um es polemisch verkürzt
zusammenzufassen, Ulrich ist der Auffassung, daß wir derzeit gerade jene Technologie
entwickeln, auf neue Leistungsebenen bringen, die uns als Spezies in der Evolution
ablösen wird."
Und: "Müllers Einschätzung zeigt
sich mit etwas verschobenem Schwerpunkt. Er meint, wir Menschen würden uns mehr und mehr
den Entscheidungen von Maschinen anvertrauen, wie wir es übrigens ohnehin schon lange
tun."
Das ist folglich einigen gravierenden Fragen
nachzugehen. Das vollzieht sich nun vor einer Hintergrundfolie, die sich als
Kontrastmittel aufdrängt, denn quer durchs Land wird erneut eine Hochzeit von "Kultur
und Kulinarik" gefeiert und zeigen fortschrittliche Kulturreferate der Provinz,
daß sie endlich ein kulturpolitisches Verständnis einzulösen versuchen, welches die
Bourgeoisie im Landeszentrum vor etwa vierzig Jahren als geklärt abgehakt hat.
Wenn etwa in entlegenen Teilen der
Oststeiermark akademisches Personal den Geist von Christine Lavant der Exegese unterwirft,
wozu das lokale Bildungsbürgertum sommers natürlich in eleganter Schale andackeln wird,
weiß ich, wie gut ich bei den Automechanikern aufgehoben bin, denen all das gar nichts
sagt.
Kann man als Schnösel Avantgarde sein?
Kleiner Scherz! Solche Fangfragen müssen Sie einfach ignorieren. Und nun ernsthaft
weiter: Die Flasche Brandy aus dem Kosovo ist noch nicht geleert.
Wir werden uns kommenden Mittwoch in der "Wunderkammer"
in Schloß Freiberg treffen, um der Frage "Wann ist Kunst?"
nachzugehen. In dieser Zone gilt immer noch, was Joseph Beuys ganz unromantisch
konstatiert hat: "Wer nicht denken will, fliegt raus".
-- [Wann ist Kunst?] --
Aber keine Sorge, wir sind prinzipiell
gesellige Leute. Diese Session leitet dann schon über, ist ein weiterer Schritt in die
Nähe der Tour nach Beograd, für die wir mit einem mobilen Medienlabor gerüstet sind.
Müller hat diesen Militär-LKW aus dem Jahr 1968 technisch aufgerüstet.
In der Substanz bleibt das freilich eine
brüllende Maschine, die maximal 80 km/h schafft und in der kleinen Kabine mit uns beiden
ziemlich ausgelastet sein wird. Immerhin hat sie eine Luke im Dach, so daß ich
gelegentlich den Kopf rausstrecken kann, um eine andere Perspektive zu bekommen.
-- [Das Kunstsymposion]
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