16. Februar 2015

Als ich das Kuratorium für triviale Mythen konzipiert habe, galt mir als Themenstellung für den Auftakt: "Vom Mythos zum Fetisch zur Kunst". Als Gründungsdatum ist der 2.12.2009 notiert. Es war meine Intention, Alltagskultur, kreative Praktiken und Gegenwartskunst zu verknüpfen, um in der Region ein Feld kulturellen Geschehens und ein geistiges Klima aufzumachen, wo diese Genres nicht hierarchisch zueinander geordnet sind, sondern komplementär. Quelle: [link]

In diesem Zusammenhang ist es nicht überraschend, daß sich die Textsammlung "Mythen des Alltags" von Roland Barthes in meiner Bibliothek befindet. Darin gibt es einen Aufsatz mit dem Titel "Der neue Citroen".

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Citroen DS

Der Text beginnt mit einem Vergleich, den Menschen bis heute als provokant empfinden: "Ich glaube, daß das Automobil heute die ziemlich genaue Entsprechung der großen gotischen Kathedralen ist."

Das Buch stammt aus dem Jahr 1957, als die Deese von Citroen, wie schon knapp davor der Studebaker Commander Starliner, eine tiefe Kerben in die Designgeschichte schlug, als der Steyr-Puch 500 auf den Markt kam, der die Hülle des Fiat Nuova 500 trug, als die Massenmotorisierung Europas begann, als der erste kompakte Steyr-Traktor gerade zehn Jahre alt war und die Maschinisierung der Landwirtschaft für eine weitreichende Veränderung unseres Lebens sorgte.

Roland Barthes begründete seine Ansicht: "Soll heißen: eine große, epochale Schöpfung, die mit Leidenschaft von unbekannten Künstlern entworfen wurde und von deren Bild, wenn nicht von deren Gebrauch ein ganzes Volk zehrt, das sie sich als vollkommen magisches Objekt aneignet."

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Studebaker Commander Starliner

Meine Generation, ich bin Jahrgang 56, wuchs in der Tat so auf, beim "Magic Carpet Rode" (Steppenwolf) fragten wir nie nach den Schöpfern der markanten Formen. Für meine heutige Themenstellung ist das aber relevant. Wir haben in Österreich ein sprödes Verhältnis zwischen den Leuten der Kunst und jenen des Designs.

Ich kann mit dieser Frontstellung nichts anfangen und fühle mich darauf angewiesen, wesentliche Positionen ind er Gestaltung unserer Alltagsgegenstände zu kennen. Zu den genannten Fahrzeugen: Das Design der Deesse stammt von Flaminio Bertoni, der Studebaker wurde von Robert E. Bourke und Raymond Loewy realisiert, der Fiat/Puch von Giuseppe Alberti und Dante Giacosa.

In diesem Umfeld neuer Formensprachen und im Kräftespiel einer sozialen Revolution erhielten wir völlig neue Optionen individueller Mobilität. Der Faschismus hatte technisch und ideologisch die Fundamente für diese Massenmobilisierung geschaffen.

Dazu paßt, daß der erste ökonomisch taugliche "Volkswagen" aus Italien kam und in der deutschen Deutung sogar als Firmennamen erhielt, was davor einige Jahrzehnte bloß ein Genre-Begriff war, denn die Industrie hatte schon geraume Zeit nach einer Konstruktion gesucht, die sich in der Massenproduktion als preiswerter Volkswagen bewähren könnte; so nannte man diesen Fahrzeugtyp auch in der Vorkriegszeit, während der von Hitler selbst skizzierte Volkswagen als "KdF-Wagen" angewiesen wurde.

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Steyr-Puch 500

Ich hab HIER die Entstehungsgeschichte des Fiat/Puch-Häusels knapp beschrieben, denn wir greifen dieses Bild heuer im Gleisdorfer Kunstsymposion auf, thematisieren die Position dieses Fahrzeugs auf der Schwelle zu einem neuen Verständnis solcher Zusammenhänge.

Wir werden überdies im Rahmen des Kunstsymposions die zweite Station von "Mythos Puch" realisieren und im Rahmen dieser Veranstaltung [link] ein von Ewald Ulrich und seinem Team elektronisch aufgerüstetes 1:5-Modell vorführen, das einen Eindruck gibt, wohin sich das Mensch-Maschinen-Verhältnis im letzten halben Jahrhundert entwickelt hat. Siehe dazu den Beitrag "Jaray mit Fernsteuerung" [link]

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Ich setze dabei die Form des 500ers zu einem Ensemble markanter Motive in Beziehung, mit denen sich das 20. Jahrhundert skizzieren läßt. Es sind dies "Das Schwarze Quadrat" von Malewitsch, der "Strohmlinienkörper" von Jaray, der "Buckyball", mit dem Buckminster-Fuller Referenz erwiesen wurde, und die Suppendose von Warhol. Siehe zu diesem Aspekt: "Vier Markierungen" [link]

Auf dem Weg in den kommenden Herbst werden wir eine Reihe von Themenabenden anbieten, wo sachkundig Personen aus verschiedenen Berufsfeldern im Rahmen der "Talking Communities" Inputs zu dieser gesamten Themenstellung bieten und für Debatten zur Verfügung stehen.

-- [Das Gleisdorfer Kunstsymposion] --

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