Seite #312: Das Puch-Häusel Woher kommt das Puch-Häusel?
Die meisten Publikationen sparen dieses Thema aus. Dabei
ist es weit größer als die Geschichte des Steyr-Puch 500. Es ist eine
Jahrhundert-Story. Flüchtig betrachtet haben wir es mit dem Schatten einer Ei-Hälfte zu
tun. Das korrespondiert mit dem Strohmlinienkörper [link] von Paul Jaray. Aber
ich greife vor.
Was hat es mit dem Ovoid auf sich? Woher kam
die prägnante Form des Puch- Schammerls, die in Italien für den Fiat Nuova 500
entwickelt worden war? Dieses Häusel wurde ein so erfolgreiches Motiv, daß Fiat es im Trepiuno
zitierte und so den aktuellen Fiat 500 [link] damit zu einem Verkaufs-Hit machte, wo weltweit vor allem ein
universelles Einheitsdesig zu dominieren scheint.
Oder warum ist auch der neue Mini (von BMW) so ein Erfolg, der den alten von
Issigonis zitiert? Warum hat der Ford Focus das blasierte Lächeln von Aston
Martin abgekupfert? Sie alle greifen legendäre Stücke visueller Automobilgeschichte
auf.
In den Tagen, da Ingenieur Dante Giacosa an dem nach seiner Ansicht ersten
Utility Car der Welt arbeitete, war Giuseppe Alberti Chef der
Karosserieabteilung von Fiat. Alberti galt in Karosserie-Fragen als höchst kompetent.
Gicosa notierte: Kein Tag verging, ohne daß ich einige Zeit in der
Modellbauabteilung vorbeischaute. Immer in Zusammenarbeit mit Alberti. Er mühte sich vor
allem bei der Untersuchung der Struktur und Zusammensetzung der Karosserie ab. Im
Bearbeiten der Formmasse rang er laufend um die Verringerung der Blechflächen, um Gewicht
und Kosten zu reduzieren, so wie ich es mit dem 600er gemacht hatte.
Der Fiat 600 wurde in Serbien als
Zastava gebaut
Wie also der 600er [link] mit seiner selbsttragenden Karosserie
einer umfassenden Anstrengung bedurft hatte, um sich technisch, formal und ökonomisch vom
Vorkriegskonzept des Topolino [link]
abzusetzen, war der Nuova 500 nicht einfach die Schrumpfversion des 600ers.
Außerdem achtete Giacosa darauf, mit dem neuen Modell keine hausinterne Konkurrenz des 600ers
zu bauen.
Jene frische Form, die Alberti in einer selbsttragenden Karosserie umsetzte, die etwa in
der Mitte des 20. Jahrhunderts die Schwelle zur Massenmotrisierung europäischer
Gesellschaften markierte, ist also prozeßhaft herausgearbeitet worden, denn ihre
eigentlichen Vorläufer in der versunkenen Ära waren der Balilla und der
Topolino.
Im Kielwasser des 600ers entpuppte sich hier demnach eine Form, die eine neue Ära
repräsentiert. Was vorher serienmäßig den Weg der Stromlinie gegangen war, wie etwa der
Chrysler Airflow [link]
oder der Tatra 77 [link],
sind völlig anderer Dimension und waren Luxusliner der Oberschicht.
Das Mastermodell der Karosserie des
Nuova 500
aus Mahagoni-Holz (Centro Stile Fiat)
Giacosa notierte zu seinem konzeptionellen
Ansatz: Ich habe besonders Augenmerk auf die Karosserien gelegt, da ich das
Modell attraktiv machen wollte, mit einer leichten Struktur, aber auch robust, in der
Verbindung von Einfachheit mit Wirtschaftlichkeit. Ich hatte zwei Gips-Modelle, die in
Originalgröße gebaut waren. Eines davon war dem Fiat 600 ähnlich, das andere völlig
neu.
Es ist ein schönes Detail für unsere aktuelle Geschichte,
zu erfahren, was Dante Giacosas Arbeit in der Chef-Etrage auslöste. Offenbar war das in
jenen Tagen ein sehr gewöhnungsbedürftigs Konzept. Der Industrielle Vittorio Valletta
fungierte von 1946 bis 1966 bei Fiat als Präsident. Ihm war daher das Projekt
vorzutragen.
Giacosa: Als ich die beiden unlackierten Modelle
zu Valletta stellte, sahen die anderen Mitglieder des Präsidialausschusses verwirrt
drein, blieben stumm. Mit diesen weißen, gespenstischen Formen konfrontiert, ohne etwas
über die verschlungene Geschichte der Veränderungen, Überarbeitungen, endlosen
Änderungen zu wissen, die hinter diesen Formen lagen, wagten sie nicht, Kritik zu
äußern.
[Puch 500 bis 700]
[the track: pop | ikarus]
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