9. Juni 2014

Verschiebungen. Sedimente. Manches bleibt eben liegen, setzt sich ab. Doch die Enden von Fäden können stets wieder aufgenommen werden. Ich bin zur Demoisellen-Geschichte noch ein Fazit schuldig. Das wird voraussichtlich vom nackten Bauch der Sharon Tate zu Cher Bono führen.

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Ist Cher die Mutter des Bitchism? Ich glaub's nicht. Sie markiert eher die Stelle, an der sich Wege gegabelt haben. Die Bitches tauchten dann jenseits dieser Markierung auf. Wer alt genug ist, wird bemerkt haben, was ihre Farewell-Geschichte uns zugespielt hat.

Chers Statetement "Follow this, you Bitches!" kam von der Bühne aus offenbar in einem Anflug an Selbstironie und flattert seither als Flagge an dieser Weggabelung. ("So I am the only natural blond Armenian in the house tonight.")

Sie merken schon, unterm Erzählen ist mir die Sache immer komplexer geworden. Aber ich fühle mich weder einem Zeitpfeil, noch der Stringenz verpflichtet. Dies ist Hypertext. Da hüpft alles. Wie viele Bücher hätte ich inzwischen schreiben können? Aber das zählt nicht.

Wie merkwürdig! Der Begriff Hypertext taucht heute kaum noch wo auf. Es scheint, als wäre mit den Social Media alles im Kasten und auf Stand. Das glaube ich selbstverständlich nicht. Im Gegenteil. Facebook ist eine Absage an das Erzählen, ist ein Strom der Posen und der Geschwätzigkeit.

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Schert mich das? Keine Spur! Nun ordne ich Schrammen, Scharten und Markierungen. Im vorigen Eintrag war unter anderem vom Kunstsammler Vlado Macura die Rede. In seinem Haus hatte ich die Suppendose entdeckt, die oben auf dem Foto zu sehen ist. (Den Suppendosen-Kontext muß ich hoffentlich nicht erklären.)

Dann, beim Gang über den Grazer Mariahilferplatz, dieses Monster. Leviathan. Des Kaisers Moby Dick. Schwarz und räudig wie die Seelen dieser Habsburger, denen sich viele meiner Leute immer noch andienen. So zu sehen an der Außenhaut eines Labyrinths der Geschichtsschreibung: [link]

Dann ein Wort in einem Song von Bob Dylan: Blackness. Sowas sagen wir nicht: Schwarzheit. Zu finden in "Shelter from the Storm". Eine Passage daraus wäre hier zu zitieren:

Suddenly I turned around and she was standin' there
With silver bracelets on her wrists and flowers in her hair
She walked up to me so gracefully and took my crown of thorns
"Come in," she said, "I'll give you shelter from the storm"

Fahrten. Auf südlicheren Wiesen der Steiermark war einiges zu bemerken. So hat es mich ziemlich umgehauen, ganz unvermutet vor einer wuchtigen Arbeit von Sol LeWitt zu stehen. Eine Frau im Liegestuhl hatte eben noch über den Rasen gerufen: "Das ist hier privat!" Glaub ich gerne. Hat mich wenig gekümmert.

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Anders als zur oben gezeigten Suppendose muß ich hierzu vermutlich anmerken, was das berührt. LeWitt ist eine der bedeutendsten Persönlichkeiten im Werden der Konzeptkunst des 20. Jahrhundert. Das hat er mit den Kollektiven Aktionen gemeinsam, die ich im vorigen Eintrag erwähnt habe.

Diese Zusammenhänge haben ihre Bedeutung in unserer Gegenwart. Damit ("unsere") meine ich nicht die des österreichischen Volkes. Mit uns meine ich Mika, Selman, Milica und Milan... es wird gleich klarer werden. Zuvor noch eine andere Markierung aus dem selben Teil der Steiermark.

Die Luftlinie zwischen der Arbeit von LeWitt und den Gräbern der Zweier-Bosniaken ist kurz. Dort drüben herrscht Stille und niemand beruft sich auf Privatbesitz. Dieses Feld war wohl als ein Ort des Erinnerns intendiert, wurde faktisch aber ein Ort des Vergessens oder ein vergessener Ort.

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Das also nun bei uns weitgehend vergessene bosnisch-herzegowinische Infanterieregiment Nr. 2 könnte uns in Fragen nach der breiten Aversion gegen unsere slawischen Anteile führen. Keine militärische Einheit des Kaisers war höher dekoriert als diese. Launiges Schicksal, stets auch zu grimmigen Späßen aufgelegt. Denn eines ist sicher, die Armeen der Habsburger waren eher nie eine Blüte dessen, was uns die Ideologie als Ideal des soldatischen Mannes angedient hat. Und dann sowas, ausgerechnet von südslawischer Seite...

In Graz hatten wir aber an der "Balkan Art Strategija" weiterzuarbeiten. Eine dialogische Situation, um einigen grundlegenden Fragen unserer Existenzen in der Kunst auf die aktuellen Spuren zu kommen.

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Von links: Mirjana Peitler-Selakov, Milan Bosnic und Milica Milicevic

So scheinen langsam die wichtigsten Teile des aktuellen Puzzles beisammen zu sein. Das Duo diSTRUKTURA (Bosnic & Milicevic) auf der Durchreise und ich ahne inzwischen, wie ein Teil zum anderen paßt. Da wäre übrigens noch ein Fundstück: "Dieschen". Kann ich sicher irgendwann für irgendwas gebrauchen...

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