14. Februar 2014 Ich
hab im Eintrag vom 8. Februar betont, daß die
gefährlichsten Männer des Nazi-Faschismus in ihrer Erscheinung mehrheitlich nicht einmal
annähernd dem "Kerl-Bild" entsprachen, das von diesem Regime propagiert wurde.
Hitler, Himmler und Konsorten waren aufgeplusterte
Männchen, denen man eigentlich nur Privatklamotten verpassen mußte, um deutliche Bilder
vor sich zu haben. Ohne ihre Uniformen und den ganzen NS-Kitsch waren an ihnen die kleinen
Spießer problemlos sichtbar.
In der aktuellen Ausgabe des Magazins "profil"
lieferte mir der Zufall eine sehr präzise Ergänzung zu diesem Themenaspekt.
Wolfgang Paterno interviewte die Politologin Katrin Himmler, eine Verwandte des Chefs der
SS. Darin heißt es an einer Stelle:
Himmler:
Nein. Eine Spaltung in den brutalen Schlächter und den treuherzigen Familienvater lässt
sich nicht erkennen - hier Täteralltag, da Familienidylle. Dazu gibt es zu viele
Überschneidungen, charakterliche Grundzüge, die in beiden Sphären zu beobachten sind:
Härte, Kälte, Unerbittlichkeit, ein Mangel an Empathie, die Strafen, vollzogen an
SS-Männern wie an den eigenen Kindern. Er war ein strenger Erzieher, der die
vermeintlichen Verfehlungen seiner beiden Kinder ahndete. Heinrich war der Haus- und
Hoftyrann, unterstützt von seiner Frau. [Quelle]
Unser Faschismus ist also, knapp gefaßt, die
Spießer-Ideologie der Haustyrannen plus Antisemitismus und Weltekel, unterfüttert mit
Menschverachtung und Gewaltbereitschaft, das Ganze streng hierarchisch angeordnet und nach
Prinzipien der Feudalzeit mit Gefolgschaft und deren Belohnung versehen.
Da das aber in sich keine auch nur annähernd
ausreichende Produktivkraft hat, müssen permanent "Feinde" markiert, beraubt,
ermordet und vertrieben werden, um die nötigen Mittel zur Entlohnung der Gefolgschaft
sicherzustellen. Das verweist auf ein wichtiges Fundament des Faschismus, die "Dauermobilisierung". Mobilisierung ist dabei nicht bloß militärisch gemeint, sondern
verlangt auch eine geistige, eine ideologische Dauermobilisierung. All das
zusammengenommen ergibt natürlich wunderbare Bedingungen für einen überschaubaren Kreis
von Industriellen und anderen Wirtschaftsleuten. |
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Der Faschismus bezog Güter und Rückhalt
von einer Wirtschaft, die dafür mit guten Geschäften und billigen Arbeitssklaven
versorgt wurde. Die Dauermobilisierung sollte außerdem das Erobern von Ländern
voranbringen. Lebensraum? Lustig! Es ging wohl eher um Rohstoffe und Arbeitssklaven, um
die Kontrolle von Handelswegen und Märkten.
So eine Konstruktion funktioniert nur, wenn sich in einer
Bevölkerung ein genügend großer Anteil an Menschen für diesen skrupellosen Weg
rekrutieren läßt und sich dem umfassenden Geschäft der Menschenverachtung anschließt.
Das verlangt -- polemisch verkürzt -- nach a) Legitimation
und b) Zerstreuung. Wissenschaft und Kunst, Journalismus und Pädagogik, alle Instanzen
einer Gesellschaft sind gefordert, sich in dieses Fest der Tyrannis einzubringen.
Kleiner Einschub: Exzellente Könner ihres Faches haben
natürlich niemandem eine Schlinge um den Hals gelegt. Sie haben sich bloß verfügbar
gemacht, um die Zerstreuung des Volkes und die Legitimation der Junta mit Glanzpunkten zu
versehen.
Rechts: "Herbert von Karajan und
Mme. Germaine Lubin vor dem Bühneneingang der Pariser Oper, in der er die 'Entführung
aus dem Serail' dirigieren wird." (17.5.1941) So also sah zum Beispiel ein begabter Günstling einer Besatzungsmacht samt
seinen Bügelfalten aus.Hier wurde gefiedelt, dort gefoltert.
Leute aus allen Berufsfeldern waren "eingeladen",
der Junta zuzuarbeiten. Tanzten einzelne Metiers aus der Reihe, wäre in all dem keine
ausreichende Geschlossenheit der Deutungseliten erreichbar, bliebe das System gefährdet,
bliebe die Junta in ihrem Bestand bedroht.
Also wurde Abweichen entsprechend geahndet. Dazu mußte man
aber weite Teile der Bevölkerung selbst gewinnen, jene unmittelbar neben ihnen zu
überwachen und gegebenenfalls zu denunzieren.
Aus genau solchen Gründen kann ich mich den Ansichten der
österreichischen "Antifa", soweit sie sich medial äußert, nicht
anschließen, denn die zielen mur zu kurz und zu eng. |
(Foto: Bundesarchiv Deutschland,
Creative Commons) |
Deren völlige Verkürzung einer
Faschismus-Deutung auf "Kapitalismus, Staat und staatliches Gewaltmonopol"
ist in eben ihrem Wesen der polemischen Verkürzung ihrerseits ein präfaschistisches
Gehampel, um das eigene Bedürfnis nach Gewalttätigkeit zu legitimieren, um die eigene
Menschenverachtung, diesen billigen Weltekel, zu bemänteln.
Katrin Himmler, weist uns einmal mehr auf einen sehr
wichtigen Aspekt hin, der uns eigentlich zwingt, über diese unsere Männerkultur
nachzudenken, deren Wurzeln im 19. Jahrhundert gut beschreibbar sind, deren gegenwärtiger
Status quo nicht unterschätzt werden sollte:
Himmler war
Kleinbürger und Jahrhundertverbrecher. Eine Erkenntnis der NS-Geschichte lautet, dass
sich monströse Täter nicht auf Distanz halten lassen: Heydrich, Himmler und Höß waren
in ihren Handlungen unverständliche Ungeheuer - als Personen waren sie, um ein Wort
Christopher Brownings zu gebrauchen, "ganz normale Männer. [Quelle]
Die Personen und ihre Täterschaft. Ich
finde diese kategoriale Trennung sehr hilfreich. Wir müssen begreifen, daß eine Person
nicht "ungeheuerlich" sein muß, um ungeheure Dinge zu tun. Das ist eigentlich
ein Appell gegen jegliche Dämonisierung.
Dämonisierung verstellt uns die Blicke auf das, womit wir
es zu tun haben. Bei diesem Aspekt der Geschichte fällt mir übrigens ein, daß viele von
uns selbst Grunderfahrungen solcher Art gemacht haben. (Ich auf jeden Fall.) Die Person
des Vaters und der Mutter, zu der man als kleines Kind in Beziehung steht, ist ja weder
emotional noch intellektuell verbindbar mit den Mißhandlungen, die von solchen Menschen
ausgehen können.
Dennoch sind wir als Kinder quasi verurteilt sie zu lieben,
mindestens zu würdigen. Zum Beispiel, indem wir ihnen nicht vorhalten, worüber
abzurechnen wäre, so jedenfalls unsere gesellschaftliche Konvention. Meine Leute mußten
erst beerdigt werden, daß eine ängstliche Verwandtschaft aufhören konnte, mir ihre
ärgerlichen Versuche der Besänftigung zuzumuten.
Wir haben die Lektionen des Faschismus auf sehr subtile Art
erhalten und tragen sie in uns, vielfach ohne das zu merken, ohne es bewußt machen zu
können. Das ist die eigentliche Quelle der Gefahr. Die läßt sich folglich nicht mit
Steinwürfen und Brandsätzen bekämpfen. Dazu bedarf es anderer, bedarf es kultureller
und sozialer Mittel.
Ich schließe mit dieser Erörterung Demonstration und Direkte
Aktion keineswegs aus. Wir haben gute Gründe, auch zu reflektieren, was uns die Sozialpartnerschaft
in der Zweiten Republik a) an Kummer erspart und b) an Problemen eingebracht hat.
Daß wir inzwischen den öffentlichen Raum und seine
traditionelle politische Bedeutung immer mehr verlieren, ist keineswegs harmlos. Vor
allem, weil es auffallende Tendenzen gibt, öffentlichen Raum an private Companies zu
übergeben.
Unbestreitbar ist Österreich ein Land mit starker
Tradition, seine Reformen von oben zu erwarten, statt von unten
durchzusetzen. Das ist weit gravierender, als man annehmen möchte. Ich brauche da bloß
von meiner bescheidenen Érfahrung mit dem Bottom up-Prinzip im regionalen
Kulturgeschehen ausgehen. Wie viele Verbündete habe ich da seit Jahren zur Seite? Wenige!
Den meisten Leuten genügt es völlig, ihre Ansprüche
vorzutragen und laut bis leise zu räsonieren, falls Wünsche unerfüllt bleiben...
-- [Imperium] -- |