8. Februar 2014 All die
vorangegangenen Zeilen über Kerl-Männchen-Verhältnisse. Und? Man muß nicht annehmen,
daß der Großteil des maßgeblichen faschistischen Personals sich aus so auffallend
gefährlichen und schlagkräftigen Mannsbildern zusammengesetzt hätte. Im Gegenteil! Ich
meine, filmreife Berserker von bedrohlicher physischer Präsenz waren eher die Ausnahme.
SS-Hauptsturmführer Otto Skorzeny,
in der Mitte (mit Feldstecher),
rechts neben ihm: Benito Mussolini
(Foto: Bundesarchiv Deutschland, Creative Commons)
Der soldatische Kerl ist eine Konstruktion, ein Kulturgut,
ein Medienereignis gewesen, das wir bis in die Gegenwart medial weitergespielt haben.
Harte Hunde mit entsprechend wilden Missionen schafften es kaum in die
Geschichtsschreibung. Jedenfalls komme ich gerade nur auf einen, den Wiener SS-Mann Otto
Skorzeny.
Natürlich gab es unter Millionen von
Soldaten allerhand Legionärs-Typen, auch Kriminelle und gelegentlich pathologische
Fälle. Aber die Majorität stand im Kontrast zu den medial vermittelten Bildern.
Die gefährlichsten Burschen des Faschismus waren freilich mehrheitlich Männchen. Sehen
Sie sich Adolf Eichmann an. Goebbels. Achten Sie auf Fotos, die Göring oder Himmler nicht
in Uniform, sondern in Zivilklamotten zeigen, vorzugsweise in trachtiger Ausführung.
Männchen! Und warum sah man Hitler nie in Badehosen? Männchen!Wie erkenne ich also Faschisten, wenn sie mir gegenübestehen? So einfach ist
die Sache sicher nicht gestrickt.
Wir haben keinen umfassenden Faschismusbegriff, der alle
einschlägigen Phänomene wenigstens halbwegs zusammenfaßt. Die Nazi haben sich selbst
nie Faschisten genannt. Diese Zuschreibung erfolgte retrospektiv, gestützt auf
konfliktreiche Auseinandersetzungen verschiedener Kräfte. |
Brandgefährliches Männchen:
Reichsführer SS Heinrich Himmler
mit Frau und Tochter
(Foto: Bundesarchiv Deutschland,
Creative Commons) |
In diesen Diskursen, nach dem die Nazi
besiegt waren, ging es unter anderem darum zu klären, was Totalitarismus sei, ob und wie
sich gegebenenfalls der Hitlerismus mit dem Stalinismus vergleichen ließe etc.
Es geht außerdem bis heute darum, welche Darstellung dem
Vorgefallenen angemessen sei und was als eine Relativierung des Holocaust gewertet werden
müsse. Historiker Immanuel Geiss schrieb dazu: Jede historische Behandlung
eines Themas, also auch des Holocaust, relativiert unvermeidlich.
Über den markanten Historikerstreit, in dessen Zentrum Jürgen
Habermas und Ernst Nolte standen, merkte Geiss an, es sei bemerkenswert, daß diese
Kontroverse von Nicht-Historikern ausgelöst worden sei, nämlich vom
Sozialphilosophen Habermas mit einer Polemik gegen den Außenseiter-Historiker,
der sich mehr als Philosoph denn als Historiker fühlt (Nolte).
Damit möchte ich betonen, was nun Faschismus sei und was nicht, ist mehr eine laufende
Debatte, als ein verfügbares Etikett. Ich ziehe dieses Status vor, weil ich gute Gründe
annehme, in der Sache wach und im Diskurs zu bleiben. Ich glaube nicht, daß wir dem Thema
gewachsen bleiben, wenn wir es an zu simplen Bildern festmachen.
Was also Faschismus sei, haben wir Retrospektiv festzustellen versucht. Es ist eine
Zuschreibung.
Seit der Niederlage der Nazi und unserer Befreiung von
ihrem Regime haben sich nicht nur Menschen aller Wissenschafts-Disziplinen, sondern auch
Legionen von Biertisch-Besatzungen mit dem Thema befaßt, um ihre Schlußfolgerungen zu
verlautbaren.
Angenehm griffiger Slogan aber eher
nutzlos, da Faschismus ohnehin keine
"Meinung" ist, sondern ein komplexes System. (Quelle: NOWKR)
Rund ein halbes Jahrhundert der vielfältigen
Auseinandersetzung mit dieser Ära und den Verbrechen, die durch so viel an Zustimmung und
Täterschaft möglich wurden, haben wir allen Anlaß, mit der Zuschreibung
Faschismus keinesfalls leichtfertig umzugehen.
Ich nehme an, die Debatten darüber, was Faschismus sei, werden weitergehen müssen. Sie
werden auch weiterhin nicht ohne Dissens auskommen. Meine Position ist daher nur eine von
vielen möglichen. Meine Ansicht handelt nicht davon, daß einzelne Grüppchen oder auch
ein elaboriertes Netzwerk schon Faschismus ergeben. Das reicht mir in der Sache
keinesfalls.
Deshalb kenne ich wie schon erwähnt auch keinen
Alltagsfaschismus und wüßte Denk- wie Handlungsweisen ebensowenig als
faschistoid einzustufen, denn ich halte das für trüber Kategorien.
Ich wünschte, daß statt dessen allgemein sehr viel klarer
wäre, aus welchen Zutaten Faschismus gekocht wird, was also präfaschistische Konzepte
sind, die Richtung Faschismus weisen oder führen.
Bei meinem bevorzugten Zugang werden also Kriterien und
Modi sehr wichtig. Kann ich beschreiben, was geschieht? Slogans wie der oben zitierte halt
ich für ziemlich entbehrlich. Wie ja der Faschismus selbst belegt, Simplifizierungen
erhellen selten, verschleiern eher, was zu sagen ist.
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