12. August 2011 Der Geruch des Windes bei ankommendem Regen, ein Bündel Bleistifte,
das sind, wie vorhin erwähnt, bleibende
Markierungen. Oder, auf visueller Ebene, und zu diesen Motiven passend, denn eine
Schachtel voller abgestufter Farbstifte war mir seinerzeit auch eine Sensation, der
Anblick eines Regenbogens.
So eben erst vor meinem Küchenfenster... Immer wieder
erstaunt mich, wie Symbolisches, wie Bedeutungen mein Leben bestimmen. Als eine feine
Variante von Reichtum. Ich vermnute, das ist nicht bloß romantisch, simple Schwärmerei.
Ich denke, weil wir als sinnliche Wesen mit so enormen Möglichkeiten ausgestattet sind,
haben wir einen "Wahrnehmungshunger". Dieser Hunger ist auf
Immaterielles gerichtet, wie anderer Hunger auf Brot und Durst auf viele Köstlichkeiten.
Derlei Überlegungen beschäftigen mich AUCH, wärhend ich
gerade die Leiste "wovon lebt der krusche?" entfalte. Wann immer ich materielle
Einbußen hinnehmen muß, brauche ich gute Gründe, das zu ertragen. Unter welchen
Bedingungen lebt und arbeitet nun ein Künstler in Österreich, wenn er nicht zu den
etablierten Marktgrößen zählt?
Das mag ich zur Zeit etwas dem Reich der spekulationen und
trivialen Mythen entreißen. Darum diese Erörterung. An einer Stelle heißt es da
aktuell: "Ich teile dieses Einkommens-Level mit abertausenden
Menschen. Aber da darf nix schiefgehen, ich darf nicht krank werden, meine Waschmaschine
sollte ein weiteres Jahrzehnt halten und mein Sohn muß sich sein erstes Auto mit selbst
erworbenem Geld kaufen." [Quelle]
So war es gerade. Ich saß für ein Weilchen im ersten
eigenen Auto meines Sohnes und war irritiert, daß er jahrelang hinter mir in ein Sitzchen
gepackt gewesen ist, nun also lande ich auf der Bank im Fonds. Die Karre gefällt
mir besser als meine und ich meinte, kraft meiner väterlichen Autorität müßte ich dem
Buben nun einen Fahrzeugtausch anordnen. Komischer Zufall, die Wagen sind in der gleichen
Farbe lackiert. Das ist doch allerlieblichst.
Die kleine Szene auf der Strecke hat meinen Sohn amüsiert,
den Autotausch schlug er mir ab, ein Stündchen später zog jeder von uns seiner Wege und
ich bin froh, daß ich nicht in meinem Kombi hinten sitzen mußte, der ist da
nämlich wesentlich unbequemer.
Nein, ich träume nicht von viel Geld. Das Einkommen eines
Mittelschullehrers in meinem Alter würde mir materielle Sorgenfreiheit sichern. Aber so
einen Weg hab ich eben nicht gesucht. Mein Wahrnehmungshunger hat ein paar
Themenschwerpunkte. Dazu gehört bekanntermaßen das ständige Scannen meiner Umgebung
darauf hin, ob prächtiges Altmetall herumliegt.
So habe ich neulich am Grieskai in Graz auf einen alten
Fiat der Oberklasse getippt, als ich hinter dem Gitter eines Zaunes das markante Heck
wahrgenommen hatte. Ich fuhr um den Häuserblock herum, um meine Beute in näherern
Augenschein zu nehmen.
Es macht mir schon Freude, bloß auszusprechen, was es ist:
Maserati 4000 quattroporte. (Es dürfte etwa ein 1969er sein. Jedenfalls das
erste Baumuster.) Das sind freilich Dünkelhaftigkeiten, über die sich etwa Monty
Pythons in "Ein
Fisch namens Wanda" reichlich lustig gemacht haben. Was ein Wortklang alles
suggerieren kann. Dabei steht "quattroporte" bloß für "Viertürer".
So plündere ich zuweilen konzeptfrei die Jagdgründe der
sinnlichen Erfahrungen, der Bedeutungern, der möglichen Kenntnisse, und bin letztlich mit
Wissen vollgestopft, das eigentlich kein Mensch braucht. (Was muß man denn schon
über einen Maserati 4000 quattroporte wissen?)
Das ist gleichermaßen romantisch und pragmatisch, denn ich
bin im "Bedeutungsgeschäft" tätig. Es ist meine Profession, die Welt zu
erzählen. Naja, kühner Anspruch! En gros liegt mir weniger, ich bin
überwiegend im En detail-Sektor des Bedeutngsgeschäftes tätig.
Als praktizierender Habenichts bleiben mir natürlich nur
schlanke Beinchen, auf denen mein Selbstbewußten ruhen und sich gelegentlich lebhaft
bewegen darf. Im Tabernakel meiner Privatmythologie liegt ein alter Glückskeks, der ein
Zettelchen birgt, auf dem steht: "Ohne Sinn verreckst Du bloß mit all Deinem
Geld!"
Zugegeben: MIT Sinn hat das Leben AUCH ein Ablaufdatum. Die
Botschaft des Zettelchens ist ein bißl theatralisch und selbstreferenziell. Seien Sie so
freundlich und drücken Sie mir gelegentlich die Daumen, daß ich mit diesem Konzept nicht
ganz daneben liege! |