10. August 2011 Wie der Wind riecht, wenn er Regen bringt. Oder Bleistifte. Der
Geruch von Bleistiften war eine Sensation meiner Kindertage. Wie eigentümlich, daß man
in Gerüchen zuhause sein kann. Wahrnehmungserfahrungen sind unsere Welt. Manche Menschen
scheinen in einer Röhre zu leben. Da sind ja Maulwürfe noch wißbegieriger und
weitsichtiger.
Vielleicht ist es so, daß Kummer einen beugt und Zorn
einen noch stärker krümmt, während das, was einen aufrichten könnte, ungreifbar
bleibt. Ich rätsle oft über das Ausmaß an Gehässigkeit, zu dem wir in der Lage sind.
Und über diese leidenschaftliche Erbärmlichkeit, die in Österreich gelegentlich blühen
darf.
Im Eintrag vom 5.
August habe ich notiert, daß ein in erster Instanz verurteilter Landespolitiker sein
Urteil in öffentlicher Kundgebung nicht zur Kenntnis nehme. Inzwischen hat sich einer
seiner Dienstboten exponiert. Per Leserbrief. (Quelle: "Kleine Zeitung")
Wäre noch anzumerken, daß breite Berichterstattung
dem gemeinten Richter einen makellosen Ruf und vorbildliche Professionalität attestiert.
Was muß ich nun aus all dem schließen? Erfahre ich hier
etwas über die "christlichen Werte", denen sich unsere Vaterländischen bei
ihrer Rettung des Abendlandes verpflichtet fühlen? Auf jeden Fall proklamieren diese
Leute aus prominenter Position: "Wer sich durchsetzt, hat recht!" Das
ist gerade jetzt eine furchterregende Pose.
Dabei kommen dann, und das enttäuscht extra, diese harten
und smarten Burschen ziemlich weinerlich daher. Das klingt etwa so:
>>Und trotzdem, oder vielleicht genau deshalb,
werde ich nicht weichen. Ich bin unschuldig und ich habe nichts getan! Während Betrüger,
Kinderschänder, kriminelle Asylwerber und viele mehr frei und unbehelligt von einer
unfähigen Justiz in unserem Land herumlaufen dürfen, versucht man mit mir einen medialen
Schauprozess zu inszenieren.<<
Das schreibt der Landeshauptmannstellvertreter in einem
offenen Brief, der momentan auf der FPK-Website
downloadbar ist. Ganz erstaunlich, wen er so als Referenzpunkte anführt; Kinderschänder
inklusive. Warum eigentlich nicht Steuerhinterzieher, Börsenzocker, Schwarzhändler,
Konzernherrn, die ihre Angestellten als "Einzelunternehmer" führen und wer
sonst noch alles die Republik ausplündert?
Warum nicht jene Leute als kriminelle Hochwassermarken, die
Kärnten über Jahre einen Ruin beschert haben, der bloß noch von der ganzen Republik auf
Kosten eben dieser ganzen Republik abgewendet werden konnte?
Wie viel eitle Selbstüberhöhung spricht aus der Annahme,
kein Thema habe "die Medienlandschaft" über Tage mehr beschäftigt als sein
Fall?
Scheuch beruft sich in seinem Brief bei seiner Anfechtung
der österreichischen Justiz en passant auf den im Suff tödlich verunglückten Jörg
Haider, der unter anderem mit großer Ausdauer den Verfassungsgerichtshof verhöhnt hat.
Muß ich annehmen, Scheuch würde einen "Volksgerichtshof" bevorzugen? An einer
Stelle des Briefes heißt es:
>>Ich werde gemeinsam mit meinen Freunden und den
Freiheitlichen aus ganz Österreich dieses System bekämpfen.<<
Wie finde ich das denn, wenn ein stellvertretender
Landeshauptmann das Thema Gewaltentrennung auf die Art zum Klingen bringt? Das
Prinzip, wonach in einer Demokratie Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Verwaltung als
"Staatsgewalten" von einander getrennt sind, um einander in Balance halten zu
können, gehört eigentlich zu den Basics. Nachzulesen etwa bei der Richtervereinigung:
"Staatsgewalten
und Gewaltentrennung".
Wie merkwürdig, daß derartiges Verhalten so viel Zuspruch
erfährt. Ist das eine Art Sehnsucht nach Berlusconi? Sind wir so sehr noch
Untertanen, daß uns jene Herren imponieren, die sich mit rüden Mitteln gegen alles und
jeden durchsetzen? Wie viel stiller Konsens muß in politischen Kreisen über diesen oder
jenen Modus herrschen, daß solche Figuren aus dem öffentlichen Leben nicht einfach
weggeschwemmt werden?
Ich denke, solche Vorfälle sind Appelle, daß wir alle und
einzeln uns für die Demokratie zuständig fühlen müssen. Man kann unser politisches
Personal einfach nicht sich selbst überlassen. |