24. April 2011 Ich kann nicht als unrasiert gelten, denn das bin ich andauernd, es
ist also keiner Erwähnung wert. Wie mag sich sonst eine Tendenz zur Schlaflosigkeit
ausdrücken? Ein trüber Blick? Eine Haartracht wie ein ungemachtes Bett?
Manchmal beneide ich jene adretten Menschen, die unter
jeder Belastung immer noch aussehen, als seien sie eben aus dem Schachterl gehüpft. Das
sind so Souveränitäts- Phantasien, über deren Ursprung ich nur spekulieren kann.
Die demonstrative Akkuratesse, wie sie sich auch in
Rasiertheit und gut sitzender Frisur ausdrücken mag, verweist natürlich auf eine
Position in nobler Distanz zum Pöbel. Dort lungert man nicht herum, man schreitet oder
steht gelassen.
Warum mir das durch den Kopf geht? Nämlich durch jenen mit
dem störrischen Bart und der katastrophalen Firsur ... Ich habe meine Unruhe letzte Nacht
mit vorzüglichem Rotwein gedämpft, um herauszufinden, auf welche Art ich meine Lauf der
Dinge ordnen könnte.
Manchmal weiche ich dann kurz auf harmloses Terrain aus.
Das meint etwa derlei Vergnügungen, aus dem Alltag solche Momente herauszuschneiden.
Diese unglaubliche Heckpartie mit dem auffallenden Schlagschatten ist mir gestern mittags
untergekommen, da war ich immer noch ratlos in der Frage, welches Muscle Car ich
vorgestern entdeckt hatte; siehe dazu die Granate im gestrigen Eintrag: [link] (Ich suche immer noch vor allem unter
"Dodge", obwohl das Outfit nach "Cuda" riecht.)
Das sind also Dinge ohne große Wichtigkeit und doch von
erhebliche Anziehungskraft für mich. Man MUSS sowas nicht wissen, aber es macht mir
Freude. Diese Heckleuchte gehört übrigens einem ungefähr 1957er Oldsmobile, wie er
damals etwa unter dem Slogan "Oldsmobility" promotet wurde.
Wir sind also etwa gleich alt, diese Langfuhre und ich. Es
hat übrigens nichts mit "Alter" zu tun, dieses "Olds...",
sondern mit dem Namen des Firmengründers, der Ransom Eli Olds hieß. Fußnote:
Und daß ein Kurde einen Laden mit dem Namen "La Perla" schupft, finde
ich lustig. Freilich handeln diese Tage auch von weniger lustigen Angelegenheiten.
So hab ich nun den Ansatz für "Die letzten
Dinge" auf dem Tisch. Das ist eine Themenreihe, die wir bei "kunst
ost" einige Zeit verfolgen möchten: [link]
Es greift in einigen Aspekten sehr direkt in unseren Themenschwerpunkt "Agrarische
Welt": [link]
Vor der großen Industrialisierung haben nämlich noch jene Lebensformen dominiert, wo man
zur täglichen Arbeit nicht gar so weit außer Haus ging, wo vor allem im ländlichen
Bereich der Wohn- und Arbeitsplatz beieinander lagen, wo "Das ganze Haus"
("Oikos") als Rahmen des Lebens Bestand hatte.
In einer strikt arbeitsteiligen Welt entwickelte sich dann
zum Beispiel unser Umgang mit Leidenden und Sterbenden zu völlig anderen Zuständen. Das
bedeutet gelegentlich ein aggressives Einnehmen von Distanz. In der Gegenwart finde ich
dafür ein tief irritierendes Beispiel gerade im Umgang der steirischen Politikspitzen mit
schwer behinderten Menschen und deren Angehörigen; siehe dazu: "Der Angst widerstehen"!
Die aktuellen Krisen führen offenbar dazu, daß sehr
deutlich sichtbar wird, welchen Status wir in dieser Gesellschaft erreicht haben. Da
werden nun, um es moderat zu formulieren, Defizite sichtbar, deren Präsenz etlichen
erklärten Regeln dieser Gemeinschaft widersprechen.
Ich denke, das ist an und für sich noch kein Malheur, wenn
sich nun Wege zeigen würden, diese Defizite und ihre Ursachen a) zu erkennen, b) zu
präzisieren/formulieren und c) ihre Bearbeitung voranzubringen. Wie unbequem! |