13. Februar 2011

Ich hab im vorigen Eintrag von unserem Besuch im "Nikola Tesla Labor" erzählt. Vor der mächtigen Hütte steht diese irritierende Arbeit von Gustav Troger. Ich bin immer ganz vergnügt, wenn ich im Alltag auf ein Werk stoße, das mich kurz aus dem Lauf der Dinge reißt.

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Für mich wäre das die grundlegende Vorstellung von "Knast": Drei Tage ohne Reflexion. Würde mir jemand die Welt bloß mit Gebrauchsgegenständen anfüllen, ich fühlte mich gezwungen, alles umzudeuten, womöglich auch neu zu benennen, um so das Vertraute aufzubrechen, um so ... nicht blind zu werden.

Kürzlich sandte ich die Frage aus: "Gibt's da draußen denn gar keine guten Nachrichten?" Raed Ibrahim, ein arabischer Künstler, den ich beim Projekt "naher osten - naher westen" [link] kennengelernt hatte, schrieb mir daraufhin: "Zwei Revolutionen in so kurzer Zeit, Martin!"

Ja, gute Nachrichten! Publizist Gregor Mayer, den ich vorigen Dezember -- nach Jahrzehnten -- in Novi Sad wieder getroffen hatte [link], sagte mir damals, er sei grade auf dem Sprung nach Kairo. Da schwante mir noch gar nichts. Vor wenigen Tagen schrieb er zu einem Foto, das ihn auf dem Tahrir-Platz zeigt: "Das ist people's revolution, sanft, aber bestimmt, klug und schnell lernend. Natürlich kann das auch schief gehen, aber ich bin vorerst optimistisch."

Ich meinte dazu, man sollte Österreich auf Exkursion schicken. Mayers Antwort: "in der tat, was ich hier erlebe, ist nicht nur das gegenteil von dem, was ich bislang im nahen osten an politikmachen erlebt habe (vielleicht abgesehen von fernen nachklängen dessen, was einst, in einer anderen zeit, palästinensischer widerstand war), sondern etwas, was - gleichfalls in einer anderen zeit - an den umbruch in osteuropa erinnert. Ägypten ist heute Avantgarde."

Das waren nun zwei Menschen aus meinem Umfeld als ein Beispiel für jene, die stets Vertrautes aufbrechen. Darum geht es doch so sehr: Nur nicht blind werden! Manchmal wiederhole ich wie ein Mantra, was mir der bosnische Autor Dzevad Karahasan in einem Gespräch gesagt hat. Nein, ich muß das anders beginnen. In meinen Notizen steht: "Meine Figuren kommen zu einem sehr merkwürdigen Schluß. Daß auch Haß akzeptabel und gut ist, im Vergleich mit der Gleichgültigkeit und mit der Verachtung."

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Ich war nämlich der Meinung, Dzevad hätte gesagt: "Gleichgültigkeit tötet." (Das ist mein Mantra.) Aber das waren gar nicht seine Worte, sondern meine Schlüsse. Er hat gesagt: "... der Mensch aber lebt, solange er nicht gleichgültig ist." Und so steht es auch in einem seiner Bücher. Er, den Peter Handke einen "Berufs-Jugoslawen" nannte, was immer das sein mag, reiht also den Haß als unerfreuliche Regung erst hinter die Gleichgültigkeit und die Verachtung. Ich stimme ihm da zu.

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Einen Teilaspekt solcher Zusammenhänge haben wir gerade mit Barbara Pichler, der "Diagonale"-Chefin (links) und ihrer Mitarbeiterin Brigitte Bidovec debattiert. Wir werden in das nächste Jahr hinein bei "kunst ost" eine regionale Kooperation entfalten, die im Kern den Fragen nach dem Verstehen visueller Codes gewidmet ist. Es geht um "Blickkompetenz".

Wir werden ja auf visueller Ebene mindestens in urbanen Zonen andauernd mit Inputs überfüttert. Das geschieht meist, um unsere Emotionen für kommerzielle Zwecke zu triggern. Unter diesem Dauerfeuer kommerziell intendierter Seh-Reize wird uns leicht der Blick auf vieles verstellt, das ich für wichtiger halten möchte. Also fragen wir uns, welchen konkreten Aufgaben sich Kultureinrichtungen widmen können, um dieser Situation gegenzusteuern.

Apropos "kunst ost". Unser kommendes "April-Festival" ist nun so gut wie auf der Schiene, auch wenn zur Zeit alle Kulturfinazierungen wackeln. Wir müssen also einige Bälle in der Luft halten, aber es scheint zu klappen.

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Die aktuelle Basisfinanzierung für diese mehrjährige Kulturprojekt, nämlich "kunst ost", habe ich eben durch eine sehr kuriose Dienstleistung sichern können. Ich war einige Zeit der Sekretär von Heinz Boxan. (Siehe: "krisenfest"!) Der Mann stand als vormaliger Verwalter von Herberstein vor Gericht und erwartet kommende Woche -- wie auch die selbst ernannte "Gräfin" Herberstein -- das Urteil der zweiten Instanz.

Ich bin immer wieder einigermaßen erstaunt, was ein professioneller Korrektor alles in einem Manuskript findet. Diesen Sonntag habe ich die Summe der Korrekturen in die Datei von Heinz Boxan übertragen.

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Eine ermüdende und lehrreiche Arbeit. Boxans Buch wird demnächst da sein. Schon jetzt erreicht mich dazu mancherlei Unruhe aus der Umgebung, obwohl ich in der Sache bloß eine Randfigur bin. Oh! Genau das hat Boxan auch vor Gericht geltend gemacht; daß er in diesem Skandal bloß eine Randfigur sei. Heute wollen im Fall Herberstein offenbar alle bloß eine Randfigur sein; ich bin da also keine Ausnahme.

-- [kunst.rasen] --

Spaß beiseite! Ich denke, unser Kulturprojekt ist nun einmal verläßlich davor bewahrt, in der landesweiten Krisensituation den Bach runterzuschwimmen. Schauen wir also, was sich weiter damit erreichen läßt, gegen so manchen Strom zu rudern.

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Fußnote: Das Treffen mit Pichler und Bidovec wurde mir noch durch einen außergewöhnlichen Fund abgerundet, wie er einem Automobil-Paparazzo eher selten gelingt; überdies höchst passend zur Begegnung mit den zwei Frauen von einem renommierten Film-Festival.

Das ist einer jener Audi RSQ, wie ihn Will Smith alias "Del Spooner" in "I, Robot" als Dienstwagen fuhr. Wer je eine EDV-gestützte 500 PS-Karre auf der Landstraße bewegen durfte, kennt das frivole Vergnügen, das sich -- keineswegs übertrieben -- in solchen Vehikeln verspricht. (Hab ich gemacht, ist wirklich etwas gruselig: [link])

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