4. Mai 2010 Sitzen,
nachdenken, debattieren ... halten manche Menschen für eine Art Urlaub (während es für
mich Arbeit ist). Kurioserweise höre ich sowas gelegentlich von Menschen, deren Verstand
mir den Eindruck von ausufernden Urlaubsneigungen macht.
Antiintellektuelle Haltungen haben in diesem Land
Tradition. "Intelligenzler" werden gerne als suspekt vorgeführt.
"Net so viel reden, machen!" lautet ein Schlachtruf ... der ein Schlachtruf
des Faschismus war, der den "Pimat der Tat" ausdrückte.
In unserem Metier ist reden alleine sowieso keine relevante
Kategorie, es gilt, Aktion und Reflexion beieinander zu halten, um Vorhaben zu
REALISIEREN. Ich hab im vorigen Eintrag
angedeutet, daß genau diese Arbeitsgrundlage keineswegs allgemeiner Standard ist, schon
gar nicht hier in der Oststeiermark.
Ein alteingesessenes "G'schaftlhubertum"
in kommunalen Diensten (viele Hochglanzpapiere, vergleichsweise wenig belegbare
Ergebnisse) hat sich in der Region aufgerafft, vitale Entwicklungen zu attackieren. Ja,
das klingt plüschig, etwas polemisch; wir werden uns noch genauer ansehen, was da zur
Debatte stehen muß.
Sitzen, nachdenken, debattieren, wenn es einen ganzen
Arbeitstag ausmacht, führt bei mir dazu, daß ich anschließend umfallen möchte und mich
nachts auf die Suche nach einer Stelle begebe, wo mich das Umfallen nicht gar zu hart
aufschlagen läßt. (Diesmal mit Chardonnay gemildert.) Richtig! Sofa! Ich bin ein
Freund des Sofas!
Der unmittelbare Anlaß war gestern die Veranstaltung
"inter[relations]" im Grazer Kunsthaus, oben Landeskulturreferentin Bettina
Vollath, die eröffnet hat. Ich durfte dort das einzige Projekt vorstellen, das im Bereich
des internationalen Austausches gezeigt wurde und NICHT von professionellen
KulturvermittlerInnen geschaukelt wird, sondern von einem Künstler und vom Ansatz eines
künstlerischen Werkes ausgeht. (Siehe dazu Krusches "Status quo"!)
Außerdem war es, wenn ich mich nicht irre, das einzige "Provinzprojekt"
, nämlich "kunst ost", gegenüber lauter "Zentrumsprojekten",
also Projekten, die im Landeszentrum zwar eine deutlichere Konkurrenzsituation haben, aber
auch all die Vorteile, über die das Zentrum traditionell verfügt.
Vronica Kaup-Hasler, Intendatin des Festivals "steirischer
herbst", war mit von der Partie. Wir haben ja heuer wieder eine Kooperation mit
diesem Festival erreicht, was uns genau bei der genannten Themenstellung sehr hilfreich
ist.
Fußnote: Ein oststeirischer Kulturreferent hatte mich
kürzlich vor Publikum gefragt, warum eigentlich keine "großen Künstler"
mit mir arbeiten möchten. Ähem, räusper, hüstel, tut mir ja leid, bedeutender geht's
bei mir momentan leider nicht ... Sabine
Hänsgen hat uns eben weitere Unterlagen zum kommenden Gleisdorfer Projekt "Virtuosen der Täuscheung"
mit den "Kollektiven Aktionen" aus Moskau geschickt.
Das bedeutet ferner, daß wir im Verknüpfen unserer "Vier Genres" auf
der Seite der Gegenwartskunst ein Level realisieren, das mir Veränderungen im regionalen
Geschehen verspricht. Wir legen die Geschichte ja so an, daß regionale Kunstschaffende
sich mit diesen Dingen in Begegnungen vertraut machen können und die Einladung erhalten, hinterher
mit ihren Mitteln auf das Erfahrene zu reagieren.
Das ist, wie schon mehrfach erwähnt, zu den anderen
Bereichen komplementär aufgestellt und nicht hierarchisch über sie gestellt. Ich habe
unlängst von einem Kulturbeauftragten gelesen, der meinte, "Hochkultur" sei
unverzichtbar, auch in der "Region", um sein Geschäft angemessen zu betreiben.
Ich glaube das nicht. Den Begriff
"Hochkultur" assoziiere ich mit dem 19. Jahrhundert, mit der "Gründerzeit",
wo sich ein aufstrebendes Bürgertum gegenüber den alten Eliten mit einem speziellen
kulturellen Code zu emanzipieren suchte. Die starke Betonung von "Hochkultur"
ist für mich 20. Jahrhundert pur; wir befinden uns aber längst im 21. Jahrhundert. Naja,
davon demnächst mehr ...
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