9. April 2010

Hochgradiger Nostalgie-Vorfall! (Na, immerhin war ein Arzt anwesend.) Unsere Reise über die Dörfer hatte uns in die Nähe von Weiz gebracht. Der Fotograf Franz Sattler ist ein Scout mit großem Geschick für spezielle Destinationen: [link]

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Plötzlich stand ich vor einer 400er Horex Regina, etwa so alt wie ich selbst, mit dem gleichen rohen und losen Fußraster wie mein erstes amtliches Motorrad. Ich kann heute noch den Putzlappen riechen, mit dem ich die Polierpaste in die Motorteile rieb. Ich hatte freilich damals keinen Hang zum Originalzustand, wie ihn der Arzt Edwin Pösinger mit großem handwerklichen Geschick verfolgt: [link]

Es waren die Zeiten VOR dem Boom, da Motorradfahrer für Deppen gehalten wurden, denn wer etwas auf sich hielt, legte es auf ein "g'scheites Auto" an. Ich legte es darauf an, genau zu diesen geschniegelten Youngsters auf erkennbare Distanz zu gehen, was mir eine Dünkelhaftigkeit einbrachte, die bis heute wirkt.

Ich verspüre eine merkliche Verachtung für Büromenschen, die sich ihre späten Jahre versüßen, indem sie sich auf ein komfortables Gerät im Gegenwert eines Wochenendhäuschens schmeißen und im malerischen Outfit, das sie sich aus Magazinen zusammengeschaut haben, einen auf Motorradfahrer machen.

Naja, Schwamm d'rüber! Das bleiben höchst unwichtige Aspekte des Weltenlaufes. Viel gewichtiger scheint mir diese Mischung aus Talent und Passion, die einen Menschen bewegt, historische Güter dem Verfall zu entreißen. Wenn ich dann ein fast hundert Jahre altes Maschinchen vor mir sehe, das auf dem Weg ist, wieder zu laufen und uns den Status einer versunkenen Ära vor Augen zu führen, dann rührt mich das auf eine merkwürdige Art.

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Vor folgendem Hintergrund: Es wird wenig bedacht, welch radikaler Paradigmenwechsel in der Digitalisierung liegt, daß Digitalisierung einen grundlegenden Bruch mit der Welt der Gegenstände, also Gegen-Stände, also greifbaren Dinge eingeführt hat. Im Kontrast dazu ist die "Konkrete Maschine" eine, die ihre Funktion in ihrer Bauweise abbildet. Das tut ein Computer, eigentlich: "Universalrechner", genau NICHT! Er ist ein blasser Kubus voller unberechenbarer Geheimnisse.

Ich denke, das macht auch einen Teil der außergewöhnlichen Attraktivität so alter Maschinchen aus. Sie repräsentieren eine Welt menschlicher Kultur, die essenziell anderer Art war. Und ich fürchte, obwohl ich mich explizit für einen KulturOPTIMISTEN halte, daß dieser Umbruch zwischen den Welten konkreter und abstrakter Maschinen eine Art kultureller Modernisierungskrise über uns gebracht hat, die in ihrer Tragweite noch kaum wahrgenommen wird.

Ich vermute, es bleibt wichtig, sich gelegentlich zu fragen:
Was ist das Wesen der Dinge, mit denen wir unser Leben ausstatten? Es mag philosophisch klingen, hat aber ganz praktische Seiten: Wenn uns das "Entdinglichen" plötzlich so leicht von der Hand geht, bekommt womöglich unsere Fertigkeit zu "Entmenschlichen" neue, sehr gefährliche Facetten.

Der Begriff wird ja gerne auf eine Art verwendete, der ich nicht zustimme. Da klingt es dann so, als würden Täter "entmenschlicht" sein, was auch nahelegt, sie als "Monster" zu stilisieren. Ein gefährlicher Holzweg. Es ist genau umgekehrt: Die OPFER werden "entmenschlicht", also aus der Gemeinschaft der Menschen rituell ausgeschlossen, erst zu "Gegenmenschen" und dann zu "Nichtmenschen" erklärt. Genau DAS ermöglicht oder erleichtert den Tätern dann die Mißhandlungen.

Damit meine ich, unsere reiche Erfahrung mit der "Verdinglichung" von Menschen, also ihrer "Entmenschlichung" stellt die Opfer zurecht, macht sie für alle Arten von Zumutungen und Quälereien verfügbar.

Gegenstände und Geister. Entmenschlichen, Verdinglichen, Entdinglichen ... was kommt dann? Welche Optionen tun sich da auf?


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